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Links und rechts der Langen Brücke: Beklemmend

Sabine Schicketanz über die evangelische Kirche in Potsdam, an der man im Fall Uwe D. zweifeln muss

Stand:

Die evangelische Kirche in Potsdam befindet sich seit dieser Woche in schwerem Fahrwasser. Der Fall Uwe D., des pensionierten Pfarrers, der unter dreifachem Missbrauchsverdacht steht, hat die Stadt erschüttert. Die erhobenen Vorwürfe, der heute 76-Jährige habe 1999 einen Teenager vergewaltigt und in den vergangenen Jahren Kinder der Kita der Heilig-Kreuz-Gemeinde misshandelt, machen fassungslos. Auch, weil sich herausstellte, dass die Vorwürfe vielen Verantwortlichen lange bekannt waren; dass die Mutter des mutmaßlichen Opfers aus dem Jahr 1999 die Gemeinde bat, ihr Sohn möge mit dem Pfarrer keinen Kontakt mehr haben; dass die Eltern der Kindergarten-Kinder offenbar erst mit Anzeigen drohen und sie dann stellen mussten, bis es Konsequenzen gab; weil sich nun Gemeinde und Landeskirche gegenseitig den Schwarzen Peter der formalen Zuständigkeiten zuschieben.

Die Vorgänge in Potsdam geschehen vor einem Hintergrund: Erst Monate sind vergangen seit den deutschlandweiten Enthüllungen der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Man konnte davon ausgehen, dass derartige Fälle und darauf folgende Verschleierung in der evangelischen Kirche nicht möglich seien. In einer Kirche, in der es demokratische Strukturen gibt, in der Gemeindekirchenräte tagen, kein Zölibat herrscht, die in Reformertradition steht, deren Strukturen nicht so verkrustet und starr erscheinen. Und trotzdem griffen im Fall Uwe D. dieselben Reflexmechanismen wie in der geschlosseneren Gesellschaft katholische Kirche: Auf die Vorwürfe gegen den Pfarrer wurde nur halbherzig oder gar nicht reagiert, Behörden wurden nicht eingeschaltet, es wurde in Kauf genommen, dass es neue Opfer geben könnte. Erst jetzt, wo die Vorwürfe öffentlich sind, gibt sich die evangelische Kirche wach und aufklärungswillig. Das macht den Potsdamer Fall, den Fall Uwe D. so beklemmend.Und er wird noch beklemmender, wenn man sich an das Vorgehen der gleichen evangelischen Kirche vor einigen Wochen erinnert, als es um den Potsdamer Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte ging. Ihm legte die Kirche, die im Fall Uwe D. jahrelang nicht reagiert hat, eine Versetzung nahe. Schütte aber hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Ihm ist nichts anderes passiert, als dass er sich mehrfach verliebt hat. Ein zu „unsteter“ Lebenswandel für diese Kirche.

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