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Potsdam und seine Vorzüge: Berlins schönste Lage

Potsdam verbinde die Vorzüge der Kleinstadt mit den Möglichkeiten der Metropole. Davon profitiere auch der Wohnungsmarkt – findet das Handelsblatt. Ein Nachdruck

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Erinnert sich noch jemand an das böse Wort von Potsdam als der Hauptstadt der Jammer-Ossis? In den 1990er-Jahren machte dieser Begriff die Runde - und tatsächlich hatten die Potsdamer genug Gründe zu klagen: Die Depression schien die Stadt an der Havel erfasst zu haben, Jahr für Jahr sank die Einwohnerzahl, und 2001 stand jede zehnte Wohnung in der brandenburgischen Landeshauptstadt leer.

Doch dann begann der Aufstieg. "Potsdam nimmt insbesondere im Vergleich mit den fünf ostdeutschen Landeshauptstädten und Berlin eine sehr gute Entwicklung", kann Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mit Fug und Recht behaupten. Mittlerweile leben fast 160?000 Menschen in Potsdam und damit 30?000 mehr als vor zwölf Jahren. 2011 lag der Bevölkerungszuwachs bei 1,3 Prozent - ein noch größeres Plus verzeichneten unter den Landeshauptstädten nur Hamburg und München.

Mit 7,9 Prozent weitaus niedriger als im benachbarten Berlin ist hingegen die Arbeitslosenquote. Außerdem sind Potsdams Einwohner verhältnismäßig jung, im Durchschnitt 42 Jahre alt, und setzen fleißig Kinder in die Welt. Nach München und Dresden ist die brandenburgische Landeshauptstadt diejenige mit dem drittgrößten natürlichen Bevölkerungswachstum.

Gewonnen hat dadurch auch die Attraktivität des Wohnungsmarkts. "Die Nachfrage ist größer als das Angebot", stellt Friedrich-Carl Wachs fest, Geschäftsführer des Maklerunternehmens Engel & Völkers in Potsdam. Entsprechend sind auch die Preise gestiegen: Nach Angaben des Verbands Deutscher Pfandbriefbanken (vdp) verteuerten sich Eigentumswohnungen zwischen 2009 und 2012 um knapp zehn, Ein- und Zweifamilienhäuser um immerhin acht Prozent.

Besonders begehrt sind, auch das belegen die vdp-Zahlen, innerstädtische Quartiere sowie die wassernahen Viertel östlich der Innenstadt. Insbesondere die Berliner Vorstadt mit ihren Villen zieht nicht nur Prominente an. Doch auch Babelsberg, die Nördliche Innenstadt sowie die Jägervorstadt und die Brandenburger Vorstadt erfreuen sich nach Einschätzung der lokalen Makler einer konstanten Wertschätzung.

Dabei werden die vom vdp ermittelten Durchschnittswerte - 2?700 Euro pro Quadratmeter für Eigentumswohnungen, 8,50 Euro pro Quadratmeter für Mietwohnungen - bei Neubauprojekten deutlich überschritten: "In guten bis sehr guten Lagen lassen sich zwischen 3?000 und 4?500 Euro pro Quadratmeter erzielen", sagt Friedrich-Carl Wachs von Engel & Völkers. "Und bei den Mieten ist Potsdam dabei, die Marke von zehn Euro pro Quadratmeter zu überschreiten."

Dass die Preise und Mieten nicht noch höher sind, hängt nach Ansicht von Hildegard Höhlich, Wohnungsmarktexpertin bei vdp Research, mit den beschränkten finanziellen Möglichkeiten der Potsdamer zusammen. Die Kaufkraftkennziffer ist mit 97,8 zwar die höchste aller ostdeutschen Städte, liegt aber trotzdem unter dem Bundesdurchschnitt. Oft kämen deshalb die ersten Käufer aus Berlin, München oder anderen Städten, beobachtet Dirk Kröger, Vertriebsleiter Potsdam beim Immobilienunternehmen Thamm & Partner. "Die Potsdamer Interessenten", sagt er, "sind etwas verhaltener."

Manche Bauträger machen deshalb die Erfahrung, "dass sich ihre Projekte nicht leicht verkaufen", wie die Potsdamer Maklerin Regine Thorn festhält. Zurückzuführen ist das laut Friedrich-Carl Wachs von Engel & Völkers darauf, "dass die Bauträger nicht immer marktgerechte Preise verlangen und nicht immer marktgängige Wohnungen konzipieren". Wer zum Beispiel eine 180 Quadratmeter große Wohnung mit nur wenigen Zimmern anbiete, laufe Gefahr, "am Markt vorbeizuproduzieren".

Sehr gefragt sind hingegen nach den Erfahrungen von Regine Thorn Mietwohnungen mit ein oder zwei Zimmern, aber auch kompakte Drei- und Vierzimmerwohnungen. Diese aber, sagt sie, seien zu moderaten Preisen höchstens in Plattenbausiedlungen zu finden. "Die Leerstandsreserve ist praktisch aufgebraucht", bestätigt Matthias Klipp (Bündnis 90/Die Grünen), der Beigeordnete für Stadtentwicklung und Bauen, mit Blick auf eine Leerstandquote von gerade einmal einem Prozent.

Um Abhilfe zu schaffen, sollen nach dem Willen der Stadt bis zum Jahr 2020 jährlich um die 1?200 Wohnungen errichtet werden. Günstig, räumt Klipp ein, könnten die Entwickler die neuen Wohnungen zwar nicht anbieten. Diese nähmen aber Druck vom Markt, da sie "eine Klientel abfangen, die sonst in den Bestand gehen würde". Denn im Bestand - also bei Wohnungen aus zweiter Hand - soll es nach dem Willen der Stadt auch künftig günstigere Angebote geben. Dabei setzt die Stadt in erster Linie auf ihre eigene Wohnungsholding Pro Potsdam, die mit etwa 16?500 Wohnungen die größte Vermieterin der Stadt ist. Auf Vorgaben an Investoren, wie sie in anderen Städten diskutiert werden, will die Kommune laut Klipp hingegen verzichten, zumal das Land Brandenburg keine öffentliche Förderung von Wohnungsbau kennt.

Platz für neue Projekte gibt es beispielsweise unweit des Hauptbahnhofs, wo unter dem Namen Speicherstadt auf einer ehemaligen Gewerbebrache ein Quartier aus sanierten Speichergebäuden und Neubauten entsteht. "Die Speicherstadt wird gut angenommen", urteilt Dirk Kröger von Thamm & Partner. Noch größere Flächenpotenziale weist die Stadtverwaltung für den Norden der Stadt aus: Auf dem Bornstedter Feld sollen weitere 3?200 Wohneinheiten entstehen, auf dem ehemaligen Kasernenareal Krampnitz 1?600 Wohnungen. Vor kurzem erklärte die Stadt das 120 Hektar große Areal von Krampnitz zum städtebaulichen Entwicklungsbereich und sicherte sich damit weitreichenden Einfluss auf das Gebiet, das vor einigen Jahren durch den skandalumwitterten Verkauf an einen Projektentwickler Schlagzeilen gemacht hatte.

Interessant dürfte Krampnitz für Kapitalanleger werden: Während es sonst in Potsdam kaum noch unsanierte Baudenkmale gibt, warten auf dem Gelände im Ortsteil Fahrland alte Militärunterkünfte auf ihre Umwandlung in Wohnungen - verbunden mit verlockenden Steuervorteilen für Anleger. Doch auch für die Stadt insgesamt sei das Vorhaben wichtig, betont Klipp: Der neue Stadtteil biete die Chance, "unterschiedliche Ziel- und Nachfragergruppen" zu bedienen und "eine ausgewogene soziale Mischung zu sichern".

Die Bemerkung hat ihren Grund - denn unter dem Eindruck des immer knapper werdenden Wohnraums und der steigenden Mieten ist die soziale Mischung auch in Potsdam zum Thema geworden. Zwar ist die Durchschnittsmiete laut Mietspiegel mit 5,74 Euro pro Quadratmeter aus Hamburger oder Münchener Sicht noch immer günstig. Zwischen 2010 und 2012 stieg dieser Mietspiegelwert aber um fast acht Prozent.

Und die Mieten dürften weiter nach oben klettern. Denn die Zuwanderung, davon sind die Experten überzeugt, wird so schnell nicht nachlassen. Potsdam, sagt Matthias Klipp, biete eben eine hohe Lebensqualität, einen großen Anteil historischer Bausubstanz und viel Natur in der Umgebung - das alles in unmittelbarer Nähe zur Großstadt. Kurzum: "Potsdam ist ein wunderschöner Vorort von Berlin."

Ähnlich sieht es Theodor Tantzen, der Vorstand des Immobilienunternehmens Prinz von Preussen Grundbesitz, die ihre Wohnungen hauptsächlich an Kapitalanleger aus den alten Bundesländern verkauft. "Bei unseren Kunden ist Potsdam beliebter als Berlin", berichtet Tantzen. Mehr noch: Er hat die Erfahrung gemacht, dass die Anleger Potsdam gar nicht mehr zu Ostdeutschland zählen. Klingt, als hätte es das böse Wort von den Jammer-Ossis nie gegeben.

Der Beitrag erschien zuerst am gestrigen Montag in der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“, das wie die PNN zur „Dieter von Holzbrinck Medien“-Gruppe gehört.

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