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Landeshauptstadt: Besorgnis – und Lücken im Regal

Schlecker-Mitarbeiter in Potsdam bangen um ihre Arbeitsplätze / Mit „Ihr Platz“ zwölf Filialen betroffen

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Vor der Tür steht Vogelfutter als Wochenangebot im kalten Januarwind. Auch im Inneren des Ladengeschäfts mit dem weißen Schriftzug auf blauem Grund ist die Atmosphäre nicht sehr behaglich. Schlecker, Deutschlands größte Drogeriekette, wird seit Montag vergangener Woche von einem Insolvenzverwalter geführt. In Potsdam hat das Unternehmen zehn Filialen. Seit am vergangenen Donnerstag auch das Tochterunternehmen „Ihr Platz“, dessen Filialen oft in großen Einkaufszentren untergebracht sind, mit in die Insolvenz ging, sind in Potsdam insgesamt zwölf Geschäfte betroffen.

Sie könne nichts erzählen, sagt die junge Verkäuferin. Es gebe die Anweisung, nicht mit Journalisten zu sprechen. Anfragen dürfe nur die Pressestelle des Konzerns beantworten. Dann räumt sie weiter Tierfutter ins Regal. Auch in einer anderen Filiale hält sich die Kassiererin sehr zurück: „Wie haben ein Fax bekommen“, sagt sie. Darauf habe sie gelesen, dass der Konzern beim Amtsgericht Ulm die Insolvenz beantragen wird. Mehr will sie lieber nicht sagen, auch nicht zu Schwierigkeiten mit Lieferanten. Dabei zeigen die Regale in ihrer Filiale am Ende der Insolvenz-Woche schon – oder noch – einige Lücken. Zwischen der Teelichtzange und den Badezusätzen ist reichlich Platz. An anderen Stellen sind die Waren nur in einer Reihe vorn im Regal aufgestellt. Ein Einkaufserlebnis für DDR-Nostalgiker.

Ein Schock sei die Nachricht von der Insolvenz gewesen, sagt eine Schlecker-Mitarbeiterin in einer anderen Potsdamer Filiale. Damit habe sie nicht gerechnet. Sie hofft auf eine schnelle Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern des Konzerns, damit die Geschäfte weiter betrieben werden können. Sie sei schon sehr lange im Unternehmen tätig und habe immer gern für Schlecker gearbeitet. Nun bangt sie um ihren Arbeitsplatz.

Wie viele Schlecker-Mitarbeiter in Potsdam betroffen sind, möchte die Konzernzentrale nicht sagen. Man mache keine Angaben zu einzelnen Regionen, heißt es aus der Pressestelle. Bundesweit hat die Kette etwa 30 000 Mitarbeiter.

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die die Schlecker-Beschäftigten vertritt, kann zur Zahl der Potsdamer Mitarbeiter keine Angaben machen. Es gebe etwa 280 in der Umgebung – allerdings ist dabei der Westen des Landes Brandenburg bis hinauf nach Neuruppin eingeschlossen sowie Teile von Berlin. Für die Mitarbeiter soll es Mitte Februar in Berlin eine Betriebsversammlung geben. Bis dahin hoffe er auf gute Neuigkeiten aus den Gesprächen mit dem Insolvenzverwalter, so Uwe-Michael Diedrich, der bei Verdi Potsdam-Nordwestbrandenburg für den Handel zuständig ist. Die Schlecker-Belegschaft sei vergleichsweise gut gewerkschaftlich organisiert. Seit der Nachricht von der Insolvenz bekomme die Gewerkschaft jede Menge Anfragen von besorgten Mitarbeitern.

Schuld an der Verunsicherung unter den Mitarbeitern habe auch die Informationspolitik des Unternehmens, so Diedrich. Zwar sei die Nachricht von der Insolvenz an die Filialen geschickt worden. Wer jedoch gerade frei hatte oder krank war, erfuhr vom möglichen Aus der Drogeriekette aus den Medien. Nun solle der Besitzer der Drogeriekette, Anton Schlecker, seiner sozialen Verantwortung gerecht werden und mit seinem Privatvermögen einspringen, so Diedrich. Der Unternehmer aus Baden-Württemberg ist einer der reichsten Deutschen. „Der milliardenschwere Firmeneigner muss sich am Erhalt der Arbeitsplätze beteiligen“, fordert auch Jana Schulze, die sozialpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung. Die Beschäftigten dürften nicht die Zeche für eine gescheiterte Unternehmenspolitik zahlen, so Schulze. Die Arbeitsplätze müssten gesichert werden. Vorerst gesichert sind die Gehälter der Mitarbeiter, so der bei Verdi Zuständige Diedrich. Eine Bank finanziere sie vor.

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