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Landeshauptstadt: „Besser woanders wohnen“

Umweltmediziner Wolfgang Straff über Krankheiten durch Stickstoffdioxid und Feinstaub, eine kürzere Lebenserwartung und darüber, wie sich Anwohner belasteter Straßen schützen können

Stand:

Herr Straff, wie wirkt Stickstoffdioxid auf Menschen aus?

In der Umwelt vorkommende Stickstoffdioxid-Konzentrationen sind vor allem für Asthmatiker ein Problem, da sich eine Bronchienverengung einstellen kann, die zum Beispiel durch die Wirkungen von Allergenen verstärkt werden kann. Es gibt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, die einen Zusammenhang zwischen der täglichen Konzentration an NO2 und der Häufigkeit von Einweisungen ins Krankenhaus und der Sterberate in einer Bevölkerung aufzeigen.

Was kann man tun, wenn man in einer Straße mit dauerhaft hoher Stickstoffdioxidbelastung lebt?

Der beste Schutz für sich und besonders für Kinder wäre natürlich, nicht an einer vielbefahrenen Straße zu wohnen.

Sollte man die Fenster überhaupt noch öffnen?

Lüften ist wichtig für das Wohlbefinden, weil sich auch im Innenraum Quellen für eine schlechte Luftqualität finden. Wer an einer vielbefahrenen Straße wohnt, sollte das Lüften auf Zeiten verlegen, an denen möglichst wenig Verkehr herrscht, zum Beispiel in den Abendstunden. Auch hilft es, wenn die Wohnung von der dem Verkehr abgewandten Seite aus gelüftet werden kann.

Welche Auswirkungen hat das Gift auf geschwächte oder besonders anfällige Menschen wie Kinder oder Senioren?

Kinder, Senioren, Schwangere sind sogenannte Risikogruppen für Belastungen mit Umweltschadstoffen, bei denen zusätzliche Belastungen grundsätzlich kritischer zu betrachten sind als bei gesunden und jungen Erwachsenen. Vom Präventionsstandpunkt aus sollten eigentlich alle Menschen, besonders aber empfindliche Personen in einer möglichst unbelasteten Umgebung wohnen. Aber natürlich gibt es immer äußere Umstände und manchmal auch gute Gründe, die diesem medizinisch sinnvollen Anliegen vielleicht entgegensprechen. In Deutschland wurden Studien dazu unter anderem vom Helmholtz Zentrum für Gesundheit und Umwelt in München durchgeführt. Die dortigen Forscher konnten ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Atemwegssymptomen bei Kindern mit vorgeschädigten Atemwegen – zum Beispiel Asthma – aufzeigen, die näher als 50 Meter an einer Hauptverkehrsstraße wohnten.

Kommen wir zum Feinstaub. Warum ist dieser Staub so gefährlich?

Feinstaub besteht aus einem komplexen Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird in unterschiedliche Größen eingeteilt. Das sogenannte PM10 hat einen maximalen Durchmesser von zehn Mikrometern und kann beim Menschen in die Nasenhöhle eindringen. Das kleinere PM2,5 kann mit einem maximalen Durchmesser von 2,5 Mikrometern bis in die Bronchien und Lungenbläschen gelangen. Ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 Mikrometern können sogar das Lungengewebe erreichen und in den Blutkreislauf eindringen.

Welche gesundheitlichen Schäden kann eine dauerhaft hohe Feinstaubbelastung zur Folge haben?

Je nach Größe und Eindringtiefe der Teilchen sind die gesundheitlichen Wirkungen von Feinstaub verschieden. Sie reichen von Schleimhautreizungen und lokalen Entzündungen in der Luftröhre und den Bronchien oder den Lungenalveolen bis zu verstärkter Plaquebildung in den Blutgefäßen, einer erhöhten Thromboseneigung oder Veränderungen der Herzfrequenzvariabilität. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ergibt sich zum Beispiel für Feinstaub, dass sich die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in Europa durch die Belastung mit PM2,5 um 8,6 Monate verkürzt.

Die Fragen stellte Marco Zschieck

Wolfgang Straff, 41, ist Experte für die

Folgen von Luftverschmutzung durch

Umweltgifte. Der

Mediziner leitet das Fachgebiet Umweltmedizin im Umweltbundesamt in Dessau.

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