Aus dem GERICHTSSAAL: „Bestellen hat mich glücklich gemacht!“ Bewährung und Therapie für notorische Betrügerin
„Ich habe die Kaufsucht“, versuchte Karina K.* (35) dem Schöffengericht ihre unzähligen Bestellungen bei diversen Versandhäusern plausibel zu machen.
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„Ich habe die Kaufsucht“, versuchte Karina K.* (35) dem Schöffengericht ihre unzähligen Bestellungen bei diversen Versandhäusern plausibel zu machen. Leider „vergaß“ die Verkäuferin, die erhaltenen Waren auch zu bezahlen. „Kaufsucht ist – anders als Spielsucht – keine anerkannte Krankheit“, entgegnete der zur Verhandlung geladene psychiatrische Sachverständige Jens Köhler. Karina K. – mehrfache Mutter, vielfach vorbestrafte Betrügerin und Bewährungsversagerin – ist angeklagt, zwischen April 2011 und September 2012 in 40 Fällen per Telefon oder online meist Kinderkleidung im Gesamtwert von rund 11 000 Euro geordert zu haben. Dabei soll die Potsdamerin oft Fantasienamen und fiktive Lieferadressen angegeben haben.
Jetzt wurde Karina K. wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt – ausgesetzt zu vierjähriger Bewährung. In diese Sanktion bezog das Schöffengericht eine Entscheidung vom Oktober vorigen Jahres ein. Damals musste sich die Frau wegen 46 Taten, die sie nach demselben Strickmuster beging, verantworten, erhielt zweieinhalb Jahre Haft. Nach einem Kampf durch mehrere Instanzen gelang es ihr, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Eigentlich habe sie gar kein Interesse an den Sachen gehabt, bekundete Karina K. zu Prozessbeginn. „Wenn ich mich einsam fühlte oder Kummer mit meinem Mann hatte, habe ich mich an den Computer gesetzt und bestellt. Das hat mich glücklich gemacht.“ Das Aufreißen der Pakete habe ihr einen besonderen Kick versetzt. Doch bald danach sei das schlechte Gewissen gekommen. Dann habe sie die Waren im Kleiderschrank oder im Keller verstaut und nie wieder angeschaut.
Der Gutachter attestierte Karina K. eine vorübergehende krankhafte Störung zum Zeitpunkt der Bestellungen. Sie habe das Unrecht ihres Handelns zwar erkennen können, ihre Einsichtsfähigkeit sei dennoch eingeschränkt gewesen. Die Angeklagte sei keine autonome selbstbestimmte junge Frau, sondern begebe sich immer wieder in die Abhängigkeit von Männern, die sie enttäuschten. Auch ihre jetzige Ehe stände unter keinem guten Stern. „Sie ist nicht in der Lage, ihre emotionalen Bedürfnisse durchzusetzen, gerät dann in depressive Phasen und ist durchgehend überfordert“, so der Psychiater. Die Bestellung der Waren habe zu einem vorübergehenden Spannungsabbau geführt.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft bezeichnete die Angeklagte als notorische Betrügerin, hielt ihr allerdings ihr uneingeschränktes Geständnis zugute. Deshalb könne man die Strafe ausnahmsweise noch einmal zur Bewährung aussetzen. Die Schöffengerichtsvorsitzende ergänzte: „Allerdings ist das der Öffentlichkeit bei diesem Umfang von Taten nur schwer zu vermitteln. So viele Augen gibt es gar nicht, wie wir heute zugedrückt haben. Verstehen Sie die Bewährung als Geschenk an Ihre Kinder.“ Während dieser Zeit muss Karina K. die freiwillig von ihr begonnene Psychotherapie fortsetzen. Sie darf sie ohne Zustimmung des Gerichts nicht abbrechen. Das Urteil ist rechtskräftig. (*Name geändert.) Hoga
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