
© Manfred Thomas
SERIE: Besuch nur mit Passierschein
Vom Griebnitzsee zum früheren Stasi-Gefängnis Lindenstraße: Eine Radtour auf den Spuren zweier Diktaturen
Stand:
Am Bahnhof Griebnitzsee kamen die Grenzkontrolleure durch die Bahn und suchten nach verräterischem Gepäck. Abschlusszeugnisse zum Beispiel waren Hinweis genug auf einen Fluchtplan. Nur drei S-Bahn-Stationen waren es vor 1961 vom Potsdamer Hauptbahnhof nach Westberlin – genau wie heute. „Die Atmosphäre in der Bahn war besonders“, erzählte Manfred Kruczek am Samstag vor dem Bahnhof. Er erinnerte sich etwa an Frauen aus Werder, die im Zug saßen, weil sie ihr Obst in Westberlin verkaufen wollten. Damit war nach dem Mauerbau am 13. August 1961 Schluss. „Ein Klassenkamerad wohnte hier schräg gegenüber des Bahnhofs“, berichtete Kruczek. Weil das Haus im Grenzgebiet lag, durften Besucher nur mit Passierschein zu ihm kommen. „Irgendwann hatte er kaum noch Freunde“, erzählte Kruczek.
Auf den Spuren von zwei Diktaturen radelten PNN-Leser am Samstag durch die Landeshauptstadt – begleitet vom ADFC und Zeitzeuge Manfred Kruczek, der sich im Forum-Verein zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte engagiert.
Auch ein Rundgang durch die Gedenkstätte KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße stand auf dem Programm. „Der Name ist eigentlich irreführend“, erklärte Gedenkstättenmitarbeiter Ivan Kulnev. Denn als das Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Spionageabwehr 1945 eingerichtet wurde, gab es den Geheimdienst KGB noch nicht.
Maximal acht Monate verbrachten die Häftlinge in der Leistikowstraße, ehe sie verurteilt und weitergeschickt wurden – etwa ins berüchtigte Lager nach Workuta. Ehemalige Häftlinge beschreiben jedoch gerade die Zeit in Potsdam als besonders schlimm, berichtete Ivan Kulnev: „Sie hatten Angst, was mit ihnen passieren würde, wussten teilweise gar nicht, wo sie überhaupt sind.“ Statt Toiletten habe es in den Zellen anfangs nur Fäkalien-Eimer gegeben, auch Freigangszellen seien erst später eingerichtet worden. Während nach 1953 nur noch sowjetische Staatsbürger einsaßen, gab es vorher auch deutsche Gefangene. Vorgeworfen wurde ihnen zum Beispiel die Mitgliedschaft in der Nazi-Untergrundorganisation „Werwolf“. Haftgrund war aber auch die Weigerung zur Teilnahme am Russischunterricht.
Ähnlich willkürlich waren auch die Verhaftungsmethoden der DDR-Staatssicherheit. Davon berichtete Manfred Kruczek vor dem Stasi-Gefängnis in der Lindenstraße, wo er Anfang der 80er Jahre mehrfach verhört wurde – wegen eines DDR-kritischen Romans, an dem sein Freund geschrieben hatte. „Die Diskussion darüber, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht, erübrigt sich, wenn man das erlebt hat“, sagte Kruczek.
3. Etappe
Die DiktaTour:
Mauerreste,
KGB-Gefängnis und das „Lindenhotel“
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