Landeshauptstadt: Biertrinken am Beckenrand
Localize rief via Facebook zum Kanalbaden auf
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Ein seltener Anblick: Gelb spiegeln sich die Straßenlaternen im schwarzen Wasser des Stadtkanals. Es ist nicht tief – etwa 50 Zentimeter unter der Oberfläche schimmert grasbewachsenes Kopfsteinpflaster. Die Studentin Laura Raschick lehnt mit Bier und Jutebeutel am Geländer und blickt ins flache Nass. Sie ist nicht alleine: Hier und da stehen einige Gestalten wartend am Becken. Das Wasser wurde für den Potsdamer Kanalsprint eingelassen, am Freitagabend findet allerdings ein Ereignis der inoffiziellen Art statt: das Kanalbaden.
Der Verein „Localize“ hat auf seiner Facebook-Seite zu der Flashmob-Aktion aufgerufen, Musik und Instrumente sollten mitgebracht werden. Von über 4000 Eingeladenen haben etwa 150 zugesagt. Von denen ist um 22 Uhr aber noch wenig zu sehen. Eine Familie breitet ein Handtuch auf dem Kies vor der Sandsteinbrüstung aus, wie am Strand. Die Kinder laufen sofort die Treppe hinunter und tauchen die Füße vorsichtig ins Wasser. „Seit vier Jahren gehen wir jetzt jedes Mal zum Kanalsprint hier baden“, erzählt Vater Sascha Zingler, dann seien immer mehr Leute auf die Idee gekommen und hätten Badeinsel und Musik mitgebracht. Zingler wirft sich mit einem schäumenden Platscher ins Wasser. „Warm und weich, wie auf einer Wiese“, ruft er den paar Leuten ironisch zu, die noch unschlüssig am Geländer stehen zu. Mittlerweile hat sich an der Brücke eine kleine Traube versammelt. Es wird gemurmelt, gelacht, Zigarettenrauch zieht in den Himmel und Bierflaschen klirren. Ins Wasser traut sich allerdings keiner so richtig, nur wenige waten ziellos durch den Kanal. Besonders warm scheint es nicht zu sein. Auch Studentin Anna Mattigk traut sich nicht, will aber gehen, wenn mehr Leute im Wasser sind. Über Facebock hat sie von der Aktion erfahren. Für sie steht mehr der Flashmob im Vordergrund, als die Möglichkeit, im Stadtkanal baden zu gehen.
Auch Peter Degener, Mitglied von Localize, der über Facebook zum Kanalplanschen einlud, will noch ins Wasser. „Bei der Aktion war es uns wichtig, diesen Stadtraum im steten Wandel für uns zu besetzen und zu zeigen, dass er eben doch benutzt werden kann“, erklärt er. Das bewies Localize schon bei den „Kanalarbeiten“ im Juli, zu denen der Stadtkanal als Ausstellungsraum für Kunst diente. An den großen Erfolg der Aktion im letzten Jahr möchte er wieder anknüpfen, allerdings wird sich zeigen, was diesmal daraus wird, fügt er hinzu. Letztes Jahr war wohl das Wetter besser, oder das Becken sauberer, denn um 23 Uhr ist keiner mehr im Wasser. Dafür dröhnt Elektromusik aus einer Box, die jemand mitgebracht hat. Etwa 70 der über 4000 Eingeladenen stehen mit einem Bier in der Hand an der Brüstung und unterhalten sich. Obwohl das Baden ins Wasser gefallen ist – so viel Leben gibt es in diesem Stadtteil sonst nur, wenn die Kanuten zum „Kanalsprint“ durch das Becken paddeln. Johannes Keller
Johannes Keller
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