zum Hauptinhalt
Erfasst hat Bernd Blumrich jeden Augenblick der Herbsttage 1989. Seine Ausstellung Linientreue hängt in der Friedrichskirche, einem markanten Ort der Wendezeit.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Bilder am Ort des Geschehens

In der Babelsberger Friedrichskirche erinnern Bilder von Bernd Blumrich an den Oktober 1989 in Potsdam

Stand:

Babelsberg - Dieses Mal hat ihn die Polizei nicht angehalten. Nicht wie vor 20 Jahren, als er an jenem 4. Oktober in die Friedrichskirche nach Babelsberg fuhr, um zu fotografieren. Damals musste er erklären, warum er nach Babelsberg fährt. Er wollte die Ereignisse für die spätere Generation dokumentieren, ohne zu wissen was genau passieren wird und wie es ausgeht. Was der Kleinmachnower Fotograf damals mit seiner Kamera eingefangen hat, ist nun in der Ausstellung „Linienuntreue“ in der Friedrichskirche zu sehen: Es sind Bilder von einer der ersten öffentlichen Massenprotestbewegungen im DDR-Wendeherbst 1989 in Potsdam.

Am 4. Oktober vor 20 Jahren hat sich das kurz zuvor gegründete Neue Forum öffentlich vorgestellt. Zu den 30 Erstunterzeichnern gehörten auch die Potsdamer Rudolf Tschäpe und Reinhard Meinel. Tschäpe ist im Jahr 2002 verstorben, nach dem Physiker ist der Platz rund um die Erlöserkirche in Potsdam-West benannt. Meinel lehrt als Professor an der Universität Jena und wird in dieser Woche bei einer Veranstaltung in Potsdam zu Gast sein (siehe „WendeErinnerung“).

Blumrich hat sie an jenem Abend in der Friedrichskirche fotografiert. Es sind die Bilder von Menschen, denen das System der DDR überdrüssig gewesen ist. „Wir fordern ein neues Wahlgesetz“ und „Alle Macht den ’Reformern’“ steht auf den Plakaten, die die Potsdamer mit nach Babelsberg gebracht hatten. Umringt von Bereitschaftspolizei und den Rufen von Pfarrer Stefan Flade, die Ruhe zu bewahren, warteten sie zu tausenden in und vor der Kirche auf die Reden aus dem Neuen Forum. So sagte Reinhard Meinel damals: „Ein Sozialismus, der eine öffentlichem Diskussion über alle gesellschaftlich wichtigen Themen, einschließlich über sich selbst nicht aushält, ist allerdings nicht viel wert. Wir wollen einen demokratischen, freiheitlichen Sozialismus“ (Auszug „Mit tschekistischem Gruß“, Berichte der Bezirksverwaltung).

Auf manchen Bildern seien auch die zu sehen, die damals für das System verantwortlich gewesen sind, sagte Ute Bankwitz. Die Ex-Frau des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck sagte gestern mit Blick auf die Bilder: Heute ernsthaft „über eine Rot-rote Koalition zu sprechen überrascht mich – ich bin da hoffentlich nicht die Einzige“. jab

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })