Von Henri Kramer: Bilder vom Planet „Skatopia“
Seit gestern sind in den Bahnhofspassagen die 200 besten Presse-Fotos aus dem Jahr 2008 zu sehen
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Das Wort „Skatopia“ ist auf die Finger seiner zwei geballten Fäuste gemalt. Mit ernstem Blick hält der junge Mann den Schriftzug mit dem Anarchie-Zeichen in die Kamera. Das Bild ist eines der Hingucker einer Fotoserie über das Leben in „Skatopia“, einer Farm im US-Bundesstaat Ohio. Es ist der Blick in eine Welt mit brennenden Mülltonnen für die Nacht, auf Szenen einer endlosen Party – und auf Jugendliche, die völlig erschöpft daliegen und ihr Skateboard als Kissen benutzen. 200 solcher Momentaufnahmen aus dem vergangenen Jahr sind nun in den Bahnhofspassagen zu sehen. Seit gestern ist in der Ladenstraße die Ausstellung „World Press Photo“ aufgebaut, bis zum 14. Februar können die besten Pressemotive des Jahres 2008 angeschaut werden.
Es ist das zweite Mal, dass die Schau nach Potsdam kommt. Veranstalter ist die internationale Stiftung World Press Photo. An ihrem jährlichen Wettbewerb haben sich vergangenes Jahr rund 5000 Journalisten aus 125 Ländern beteiligt.
Und ihr Blick abseits üblicher Motive wirkt spannend. Eine Fotoserie zeigt einen Marktplatz in Kabul, sechs Jahre nach dem Sturz der Taliban. Oder es schaut ein kleiner Junge mit einem Gewehr in die Kamera: In manchen US-Bundesstaaten dürfen schon unter Zwölfjährige in Begleitung von Erwachsenen jagen, klärt der Bildtext daneben auf. Die Beschreibungen sind in verständlicher Sprache abgefasst. Und doch manchmal unwichtig, weil viele Motive sich selbst erklären: Wenn beispielsweise die kalten blauen Augen von Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem Betrachter ruhen, ist die Assoziation schnell da, das hier ein berechnender Machtmensch abgebildet ist. Generell dominieren die Ausstellung negative Themen: Elend, Krieg, Not. Bilder dazu kommen aus Palästina, aus Kongo, aus Kolumbien. Oder aus Pakistan: Dem grauenhaften Anschlag auf die Oppositionsführerin Benazir Bhutto sind etliche Fotografien gewidmet. Ebenso in großem Format sind Häftlinge aus dem Irak zu sehen, die im Verdacht stehen, sich in dem Land an Aufständen beteiligt zu haben. Die Strafe für sie scheint schon vorweggenommen, sind ihre Augen doch zugeklebt, zeigen ihre Gesichtszüge viel Erschöpfung. Bilder, die wehtun. Breiten Raum nehmen auch Motive über die Verletzlichkeit des Planeten Erde ein. Der Eisbär wird in verschiedenen Posen gezeigt, als Beispiel, wie beliebte Tierarten vom Klimawandel bedroht sind. Und eine Serie des amerikanischen Journalisten Brent Stirton zeigt, wie Gorillas in Afrika gejagt und ermordet werden.
Bei so vielen schlechten Nachrichten wirkt es wohltuend, dass die Ausstellung trotz ihres aufklärerischen Charakters auch allerlei skurrile Motive zeigt. Ein Beispiel ist die Serie über das Landtauchen, eine Tradition auf der Insel Pentecost im Südpazifik. Die Männer der Insel bauen dort hohe Holztürme und springen von da aus bis zu zehn Meter in die Tiefe. Wenige Zentimeter vor dem Aufschlag bremsen Lianen um ihre Fußgelenke den Sturz abrupt – eine gefährliche und populäre Touristenattraktion ist so entstanden. Die Bilder dazu wirken dynamisch und schwindelerregend, weil aus großer Höhe und ungewöhnlicher Perspektive fotografiert. Die Stärke guter Fotografie, die nicht nur frontal Menschen und Häuser ablichtet – und dazu mit Bildern Geschichten erzählen kann. Wie über ein Freak-Paradies á la „Skatopia“, wo Skater über Lagerfeuer springen.
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