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Homepage: „Bildungsforschung von nationaler Bedeutung“ Uni-Vizepräsident Thomas Grünewald über die Veränderungen in der Potsdamer Lehrerbildung

Das mit Spannung erwartete Gutachten zur Lehrerbildung in Potsdam ist vor wenigen Tagen von der externen Expertengruppe vorgelegt worden. Wie, Herr Dr.

Stand:

Das mit Spannung erwartete Gutachten zur Lehrerbildung in Potsdam ist vor wenigen Tagen von der externen Expertengruppe vorgelegt worden. Wie, Herr Dr. Grünewald, ist Ihr erster Eindruck?

Es ist ein sehr konkretes Gutachten mit deutlichen Empfehlungen. Ein wertvoller Bericht. Ich bin sehr froh darüber.

Die Gutachter schlagen die Gründung eines Instituts für Bildungswissenschaft vor.

Das deckt sich mit den Vorstellungen des Präsidiums und der Humanwissenschaftlichen Fakultät. Tatsache ist, dass sich schon jetzt viele kleine Institute mit schul- und unterrichtsbezogener Forschung beschäftigen. Die Idee ist nun, dem Ganzen eine gemeinsame Struktur zu geben und daraus ein Haus zu bauen mit vielen Zimmern. Das neue Institut soll begleitende und reflektierende Forschung für die Lehrerbildung, für Schule und Unterricht betreiben mit dem Anspruch, national Bedeutung zu erlangen.

Darüber hinaus soll ein Kompetenzzentrum für die Lehrerbildung entstehen. Mit welchen Aufgaben?

Die Lehrerbildung in Potsdam ist zu vergleichen mit einem dezentralen Unternehmen, sie zieht sich quer durch die ganze Universität. In den meisten der 22 Hochschulfächer werden auch Lehrer ausgebildet. Bislang aber fehlt es an einer Unternehmensleitung, die autorisiert ist, zu steuern und zu koordinieren. Die Gutachter ermahnen uns, hier entsprechend Verantwortung und Entscheidungsmacht zu vergeben.

Wie kann das konkret aussehen?

Eine zu bildende Studienkommission soll wie ein Parlament alle an der Lehrerbildung Beteiligten versammeln. Deren Beschlüsse wären dann durch ein Studiendekanat, quasi die Exekutive, umzusetzen. In einer Koordinierungsstelle schließlich sollen alle Fäden zusammenlaufen: die Organisation der Lehrveranstaltungen und der Praxisphasen. Besonderen Wert legen die Gutachter außerdem auf eine wirksame Lehrevaluation und ein umfassendes Qualitätsmanagement der Lehrerbildung. Wir streben das ohnehin für die gesamte Universität an.

Ein weiteres Fazit aus der Begutachtung der Potsdamer Lehrerbildung ist der Vorschlag der Experten, künftig die Ausbildung von Lehrern für die Primarstufe und die Sekundarstufe I zu trennen.

Das würde weitreichende strukturelle Veränderungen und Personal erfordern. Darüber können nur das Landesparlament und die Landesregierung entscheiden.

Trifft das auch auf die im Gutachten geforderten neuen Lehramtsstudiengänge, zum Beispiel für die Sonderpädagogik, zu?

Sicher werden wir nicht müde, die dafür benötigten Mittel vom Land einzufordern. Wenn wir das hier in Potsdam entwickelte und von der Expertenkommission unterstützte Konzept der „Integrativen Sozialpädagogik“ umsetzen wollen, brauchen wir zusätzliche Ressourcen, drei Professuren und wissenschaftliche Mitarbeiter. Wahrscheinlicher aber ist es, dies durch interne Umschichtungen im Rahmen des vorhandenen Stellenpools zu erreichen.

Geht das dann zu Lasten anderer Studiengänge, etwa der umstrittenen Ausbildung von Kunsterziehern?

Die Sonderpädagogik hat einen sehr hohen Stellenwert, denn der Förderbedarf für Kinder mit Defiziten beim Lernen, Sprechen und im Sozialverhalten steigt. Auf dem Gebiet der Patholinguistik zum Beispiel verfügen die Sprachwissenschaftler hier an der Universität bereits über exzellentes Wissen. Was die Kunsterziehung betrifft, so empfiehlt die Kommission, entweder das bislang mit nur einer Professur unterbesetzte Fach zu einer forschungsfähigen Einheit auszubauen oder an die Universität der Künste in Berlin zu verlagern.

Wäre so eine Verlagerung denn praktisch möglich?

Es wäre gut, die Kompetenzen der Berliner Universität der Künste nutzen zu können. Schließlich ist sie Europas größte Kunsthochschule mit einer Reihe von Koryphäen, die jährlich mehrere hundert Kunststudenten aufnehmen kann. Für Lehrerstudenten hier in Potsdam wäre es wichtig, dass sich hiesige und Berliner Studiengänge miteinander koordinieren lassen. Wir appellieren deshalb an die Regierungen beider Länder, die Lehrerbildung entsprechend zu harmonisieren. Gegenwärtig scheint es leichter, mit Holland oder der Schweiz zu kooperieren. Bei allem Respekt vor der Kulturhoheit der Länder – wir brauchen eine standardisierte Lehrerbildung!

Bleibt es beim Immatrikulationsstop zum Wintersemester, so lange die Zukunft des Studiengangs Kunst offen ist?

Ja. Es ist eine einstweilige, vorsorgliche Maßnahme für ein Semester. Es wäre nicht fair gegenüber den Bewerbern, sie zu immatrikulieren, ohne zu wissen, ob und in welcher Art sich der Studiengang fortsetzen wird.

Welchen Weg nimmt das Gutachten der Expertenkommission jetzt? Wie gehen Sie mit dem Empfehlungen weiter um?

Das Gutachten, das im übrigen öffentlich ist, fließt in die noch bis zum Sommer laufenden Diskussionen zur Struktur- und Entwicklungsplanung der Universität ein. Nach einer gründlichen Lesephase werden die Hauptakteure – die Humanwissenschaftliche Fakultät, das Zentrum für Lehrerbildung und das Präsidium der Universität – etwa in zwei Wochen zu einer ersten Verständigung zusammenfinden. Bis zum Ende des Sommersemesters müssen wir zu Ergebnissen kommen und uns auf eine Agenda einigen. Wenn das Wissenschaftsministerium unseren Plänen zustimmt, können wir im Herbst mit der Umstrukturierung beginnen.

Das Gespräch führte

Antje Horn-Conrad

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