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In einem Wasserbecken können Angelsport-Fans bei AngelJoe ab heute die neuesten Kunstköder sofort testen; Jonas F. Müller (r.) und Julian Straßburg zeigen mit viel Spaß, wie es geht.

© Manfred Thomas

Von Guido Berg: Biss zum Entenschrei

Würmerbaden war gestern: Heute öffnet am Stern-Center das Angeldorado „AngelJoe“

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Wer seit dem 15. Lebensjahr nicht mehr angeln war und mittlerweile die ersten grauen Haare hat, dem sei gesagt: Auch der Angelsport ist nicht mehr der, der er mal war. Natürlich gibt es sie noch, die Uferhocker, die ihren Lebensabend damit verbringen, mit schwarzerdigen Händen sich windende Würmer zu martern, in dem sie sie auf Haken spießen. Aber Würmerbaden war gestern. Es ist viel Wasser die Havel hinunter geflossen, der Angler von heute ist jung, hipp, solvent – und durchaus auch weiblich. Er habe Kundinnen, „die sehen aus, wie bei ,Germany’s next Topmodel’ entlaufen“. Der das behauptet, heißt Jonas F. Müller und eröffnet am heutigen Samstag in der Gerlachstraße 10 am Stern-Center auf 700 Quadratmetern sein Angel-Geschäft „AngelJoe“. Wer sich davon überzeugen will, ob Müller recht hat, kann das bei der großen Eröffnungsfeier ab 10 Uhr tun. Der Diplom-Kaufmann weiß, wovon er spricht, denn er führt bereits eine „AngelJoe“-Filiale in Berlin-Lichtenberg. Damit auch in Potsdam die Herren nicht unter sich bleiben, erwähnt der Diplom-Kaufmann: „Wir führen auch Ruten und Rollen in rosa und pink.“

Aber natürlich stimmt auch das Klischee, angeln, das bedient das Archaische, das Ursprüngliche, das männliche Prinzip: Jagen, töten, grillen, essen. „Mann gegen Fisch“, sagt Müller mit blitzenden Augen. Er selbst arbeitet auch noch als Wirtschaftsdozent an einer privaten Hochschule, ein Büro-Job. Doch irgendwann muss ein Mann auch mal raus aus dem Büro und tun, was ein Mann tun muss Wobei es viele Petri-Jünger der Neuzeit beim Jagen belassen. „Catch & Release“ heißt die Ethik des modernen Anglers, fangen und wieder freilassen. Müller kennt jemanden, „der fängt 500 Zander im Jahr“, behält und isst davon vielleicht zwei. Die Exemplare, die den Köder zu tief geschluckt, oder sich verletzt haben. Nein, das Töten ist es nicht, es geht um den Drill, um „Adrenalin und Action“. Morgens, wenn noch Nebelschwaden über den See ziehen, fährt Müller mit dem Boot hinaus. Noch genießt er die Faszination Naturerlebnis, die Ruhe. Doch die Spannung wächst. Der Berliner ist auf Raubfische aus, sobald der Kunstköder läuft, ein Gummifisch, ein Wobbler oder Spinner, „kann in jeder Sekunde das Unvorhersehbare passieren“. Müller: „Man weiß morgens nie, wie man abends weggeht vom See.“ Er hofft, dass „der Fisch des Lebens“ anbeißt. Ein 94-Zentimeter-Zander, ein 48-Zentimeter- Barsch, das sind Müllers Rekorde bis jetzt. Dass es den Fischen wehtut, an den Haken zu gehen, weiß Müller. Kritik daran lässt der junge Mann aber höchstens von Veganern gelten. Denn wer schon eine Bulette am Kiosk isst, akzeptiert den „Stellvertreter-Mord“. Er lässt andere für sich töten – und das industriell.

Nicht nur die Angler haben sich verändert, auch das Equipment. Der guten alten Bambusrute sind Carbonangeln gewichen; eine Revolution gab es bei den Rollen. Am Stand für die Meeresangler zeigt Müller auf Angelschnurrollen mit digitaler Anzeige und Motorbetrieb. 25 Kilogramm Zugkraft. Wer in 300 Meter Tiefe angelt, ist froh, wenn er die Sehne nicht selber wieder aufrollen muss. Der letzte Schrei bei Karpfenanglern ist das Anfüttern einer guten Stelle im See mithilfe eines ferngesteuerten Futterbootes, das über einen GPS-Sender verfügt. Ja und das ewige nächtelange Warten bis die Aale beißen hat auch ein Ende. Der Angler von heute liegt im Zelt und wird von einem „Funkbissanzeiger“ geweckt. Die machen den Ruf einer Ente nach – damit die Fische keinen Verdacht schöpfen.

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