
© Manfred Thomas
Potsdamer Freiräume: Bitte keine Puppenstube
Künstler, Studenten und Galeristen diskutierten in der Scholle 51 über Potsdams Freiräume - oder besser über deren Verschwinden.
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Potsdam hat zu wenig Wohnraum, und doch scheint es unmöglich, Leerstand temporär zu nutzen. In einer Diskussion zur Zukunft von Potsdam-West, initiiert von Fachhochschulstudentinnen, machten sich Mittwochabend im Künstlerhaus Scholle 51 Teilnehmer ordentlich Luft. Und es ging nicht nur um Potsdam-West.
Mehr miteinander reden und den Spielraum des Einzelnen ausnutzen – hatte der Moderator, Kommunikationswissenschaftler Gernot Wolfram, vorgeschlagen. „Wie kann es sein, dass Herr Klipp allein entscheidet, ob die leer stehenden Räume des Schaufensters der Fachhochschule (FH) bis zum Abriss genutzt werden können?“, fragte dazu sehr konkret Daniel Zeller, Geschäftsführer des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West, in die Runde. Denn während die Künstler der Scholle die damals leer stehende Immobilie von der Kirche als Zwischennutzer bis zum Verkauf übernehmen konnten, soll eine Nutzung der FH-Räume nach dem Co-Working-Space-Prinzip angeblich nicht möglich sein. Gern würden Künstler und Kreative, für die es in Potsdam immer weniger bezahlbare Flächen gibt, die 500 Quadratmeter als temporäre Arbeits- und Ausstellungsfläche anmieten, eine Idee von Katja Dietrich-Kröck von der Zukunftsagentur Brandenburg und Anja Engel, freie Kulturmanagerin. Doch zuvor müsse eine Umnutzung des ehemaligen Ladens zur Bürofläche beantragt werden – beim städtischen Bauamt. Baudezernent Matthias Klipp (Grüne) habe ihnen jedoch deutlich signalisiert, dass er dem Antrag nie zustimmen würde, weil das Haus abgerissen werden soll, so Engel. Allerdings sei man von einem befristeten Mietvertrag ausgegangen. Das Bauamt sagt dazu: Die Stadt befürworte die Idee, an diesem Standort sei aber die Wiederherstellung der historischen Mitte das Ziel. Die Galeristen Ursula und Rainer Sperl, ebenfalls im „Schaufenster“ der FH, schlossen ihren befristeten Mietvertrag nach langen Verhandlungen direkt mit der FH, sagte Ursula Sperl. Sie würden eine Belebung des Areals begrüßen.
Katja Dietrich-Kröck hält ein Leerstandskonzept für die gesamte Stadt für sinnvoll, damit die Moderne eine Chance hat. „Sonst wird Potsdam zur Puppenstube“, sagte sie. Gerade habe sich eine große Design-Firma in Groß Kreutz angesiedelt, so Dietrich-Kröck mit Bedauern.
Hauptproblem sei allerdings der Mangel an Wohnraum, hieß es am Mittwoch. Wer nicht hier wohnt und sich mit der Stadt identifiziert, kann auch nicht kreativ an deren Entwicklung mitwirken. Gerade in Potsdam-West gebe es kaum noch Wohnraum für neue und alteingesessene Bewohner, man werde zum Flüchtling in der eigenen Stadt, klagte Daniel Zeller, Geschäftsführer des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West. Pro-Potsdam-Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal entgegnete, dagegen helfen nur Sanierung und Neubau. Doch gerade Altbausanierung sei sehr kostenintensiv und die Pro Potsdam auf Fördermittel angewiesen, um die Mieten niedrig zu halten. „Da bleibt wenig Spielraum, beispielsweise für individuelles Sanieren“, so Westphal. Nachdenken würde er allerdings über das Angebot von Gernot Wolfram, mithilfe sogenannter Eventarchitekten die Häuser gestalterisch aufzuwerten. Steffi Pyanoe
Die Ausstellung „The City Speaks“ ist bis Sonntag in der „Scholle 51“ zu sehen.
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