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Das Postdamer Moses Mendelssohn Zentrum thematisierte mit einer Konferenz die Migration vom Westbalkan
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Das Verhalten Deutschlands und die weitestgehend erfolgreiche Integration von Flüchtlingen nach dem Zerfall Jugoslawiens in Deutschland in den 1990er-Jahren hat für Olaf Glöckner vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) für die aktuelle Flüchtlingskrise Modellcharakter. Damals hatte Deutschland die meisten der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina aufgenommen. Noch bis vergangenen Jahres war die Zahl der Asylbewerber vom Westbalkan sehr hoch. Jetzt ist sie laut Glöckner allerdings rapide gesunken.
In einer vom MMZ mitorganisierten internationalen Konferenz zur Migration aus dem Westbalkan reflektierten am Montag Experten und Akteure von Hilfsorganisationen in Südosteuropa die Situation der Westbalkanstaaten nach dem Jugoslawienkrieg. Mit der Hinzunahme Albaniens, des Kosovos und Montenegros im Oktober 2015 gelten alle Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer. Die Konferenz habe laut Glöckner jedoch erneut gezeigt, wie „hochgradig fragil“ die Lage in diesen Staaten sei. Zwar gebe es keine direkte Kriegssituation, doch sowohl Korruption, Armut und eine hohe Arbeitslosigkeit als auch ethnische Konflikte stellen Probleme dar. Der Status als sicheres Herkunftsland führt unter anderem zu einer Beschleunigung des Asylverfahrens. In der Regel werden die Anträge abgelehnt und die Geflüchteten in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt.
Die „humanitären Hürden“ seien abgebaut, beschreibt Daniel Bax die Abschiebung in südosteuropäische Länder. Bax ist Journalist bei der „taz“ und Autor des Buches „Angst ums Abendland: Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten“. Die Polizei komme zur Abschiebung oft unangemeldet, unter Zwang würden die Menschen zur Ausreise bewegt, so Bax. Wie Herbert Heuss vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ergänzt, gebe es in Serbien jedoch keine Struktur, die die Rückkehrer wieder auffange – das wisse auch die Bundesregierung. Trotzdem werden viele Familien zurückgeschickt, darunter auch solche, deren Kinder hier in Deutschland geboren sind. „Flüchtlinge werden gegeneinander ausgespielt“, sagt Herbert Heuss und meint damit eine Abschiebung von Roma zugunsten der Aufnahmekapazitäten syrischer Kriegsflüchtlinge.
Zu einer Verbesserung der Situation im Westbalkan äußert sich der Integrationsbeauftragte der SPD-Bundesfraktion Josip Juratovic. Eine Idee sei es, finanzielle Mittel zur Unterstützung der Bevölkerung an die Schulbildung der Kinder zu koppeln, um die Bildungsrate zu stärken. Ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild zur Regulierung der Zuwanderung ist für ihn allerdings zwiespältig. Zwar wisse er nach 20-jähriger betrieblicher Erfahrung, wie die Wirtschaft tickt und dass qualifizierte Zuwanderer bessere Aussichten in Deutschland haben. Doch wenn nur die qualifizierten Asylbewerber aufgenommen würden, fehlten diese vor Ort, um dort eine stabile Wirtschaft aufbauen zu können. Wichtig ist für Juratovic aber vor allem eine direkte Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen vor Ort. Merle Janssen
Merle Janssen
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