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Wetterfrau. Meteorologin Iris Bramann in der Säkularstation Potsdam.

© dpa

Von Angie Pohlers: Blondinenhaar misst Luftfeuchte

Die Wetterstation auf dem Telegrafenberg arbeitet seit 107 Jahren

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An diesem Vormittag pendelt die Windfahne sachte in Richtung Nord-Ost. Auch das Anemometer zur Messung der Windgeschwindigkeit dreht sich beschaulich um die eigene Achse. Ralf Schmidt, Leiter der Wetterwarte Potsdam, steht in 114 Metern über dem Meeresspiegel oben auf dem Turm der Säkularstation. „Am liebsten ist mir Action-Wetter“, gibt der Meteorologe zu. In Richtung der Windfahne sucht er den Berliner Fernsehturm. „Da hinten wäre er, aber die Sichtweite beträgt heute nur etwa 16 Kilometer.“    

Schon vor 107 Jahren blickten Schmidts Vorgänger – damals noch dem „Königlich Preußischen Meteorologischen Institut“ zugehörig – von dieser Plattform über das Potsdamer Umland. Seitdem wurden die Messreihen ununterbrochen aufgezeichnet. Damals wie heute interessierten sich die Meteorologen aber mehr für die Form der Wolken und die Intensität des Sonnenscheins als für den schönen Blick vom Telegrafenberg auf die Havel.

„Das hier ist der Sonnenscheinautograph nach Campbell-Stokes. Damit misst man die Sonnenscheindauer“, sagt Schmidt und zeigt auf eine Glaskugel, die in einer schmiedeeisernen Aufhängung an der Brüstung befestigt ist. Wie vor über 100 Jahren bündelt die Kugel Sonnenstrahlen, die dann ihre Spur auf einen schwarzen Registrierstreifen fräsen. Gleich nebenan steht „SONie“. Auch dieses Gerät zeichnet die Dauer des Sonnenscheins auf, ist aber erst seit 1993 in Betrieb. „Wir sind eine Klimareferenzstation, vergleichen also die Werte alter und neuer Gerätschaften“, erklärt Schmidt. 13 meteorologische Parameter vom Bedeckungsgrad über die Niederschlagsart bis hin zur Bodentemperatur in zwölf Metern Tiefe werden aufgezeichnet – einige Tage und Nächte. Alle 30 Minuten senden die Meteorologen die Messergebnisse zur Zentrale des Deutschen Wetterdienstes nach Offenbach. Dort werden die Zahlen für Wettervorhersagen, aber auch in der Forschung verwendet.

Die Instrumente und Apparaturen der Säkularstation stehen nicht nur in luftiger Höhe. 176 Stufen tiefer liegt das Messfeld der Warte auf einer Wiese neben dem Ziegelbau. In einem unscheinbaren Kasten, einer sogenannten Thermometerhütte, befindet sich dort unter anderem ein Hygrograph. Damit zeichnen die Wettertechniker die relative Luftfeuchtigkeit auf – ebenfalls seit über einem Jahrhundert. Noch immer benötigen sie dazu ein ganz besonderes Material. „Der Hygrograph arbeitet mittels zweier feiner, blonder Frauenhaarsträhnen, die sich je nach Luftfeuchte zusammenziehen oder ausdehnen“ verrät Ralf Schmidt.

Auch die Werte dieses Winters wurden von ihm und seinen fünf Kollegen wie immer akribisch gesammelt. „Die meisten Leute sind von den letzten warmen Wintern verwöhnt. Dieser Winter war nichts Außergewöhnliches“, bilanziert Schmidt mit einem Blick in die Tabellen. Einen Rekord gab es aber doch. „Seit Beginn der Messreihe hatten wir noch nie so lange Zeit keinen Sonnenschein wie in diesem Januar.“ Da blieben die Registrierstreifen des Sonnenautographs ganze 17 Tage am Stück unberührt. Nun, im Frühling wird da, wo der Brennstrahl auf das Papier trifft, aber wieder öfter ein kleiner Rauchfaden aufsteigen – und den Sonnenschein bezeugen.

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