Homepage: Blutlegende von Wilsnack Mittelalterlicher Hostienkult der Prignitz
Der Anfang des Pilgerkults um das mittelalterliche Wilsnack war eine Geschichte von Zerstörung und Gewalt. Der Ort in Brandenburg, das heutige Bad Wilsnack war innerhalb kürzester Zeit wegen seines so genannten Blutwunders zu einem der drei bedeutendsten Wallfahrtsorte im 15.
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Der Anfang des Pilgerkults um das mittelalterliche Wilsnack war eine Geschichte von Zerstörung und Gewalt. Der Ort in Brandenburg, das heutige Bad Wilsnack war innerhalb kürzester Zeit wegen seines so genannten Blutwunders zu einem der drei bedeutendsten Wallfahrtsorte im 15. Jahrhundert aufgestiegen. Knapp 150 Jahre später brachen die Menschenströme wieder ab und Wilsnack, das zuvor Vergleiche mit Wallfahrtszielen wie Rom und Santiago nicht zu scheuen brauchte, verschwand in der Bedeutungslosigkeit. „Das Blut von Wilsnack und das fünfzehnte Jahrhundert“ war der Titel der Vorlesung, in der sich die Historikerin Prof. Carolin Walker Bynum (Princeton) unlängst im Potsdamer Einstein Forum dem kleinen Ort im Nordosten Brandenburgs näherte. Bynum, die schon zuvor zahlreiche preisgekrönte Bücher zur Kulturgeschichte und zur Religiosität im Mittelalter veröffentlicht hatte, wurde durch einen Besuch in der Wilsnacker Wunderblutkirche zu ihren Forschungen inspiriert. Im Jahre 1383 fielen Raubritter in den Prignitzer Ort ein. Sie zerstörten alles, einschließlich der kleinen Dorfkirche. Doch als der Pfarrer am folgenden Tag durch die zertrümmerte Kirche stolperte, habe er drei unversehrte, mit jeweils einem Blutstropfen versehene Hostien aus den noch brennenden Trümmern gezogen. „Die Menschen glaubten das Blut Christi darauf zu sehen“, erklärte Bynum, die eine Expertin in der Mittelalterforschung ist. In Windeseile habe sich dieses „Wunder“ herumgesprochen. Schon bald strömten Tausende Pilger nach Wilsnack um sich einen Ablass für ihre Sünden zu erkaufen. In kürzester Zeit wurde gar eine Kirche errichtet, die in ihrem Ausmaß mit der früheren Dorfkirche nichts gemein hatte. Nachdem Bynum im rasanten Tempo die Veranstaltung mit den historischen Hintergründen des Wilsnacker Blutwunders eröffnet hatte, leitete sie elegant zu den zahlreichen Diskussionen über, die das Hostienwunder bei den bedeutenden Theologen seiner Zeit ausgelöst hatte. Als Götzenverehrung und Aberglaube sei es verdammt worden. Doch auch aus soziologischen und machtpolitischen Gründen seien die Gelehrten kritisch mit dem Thema umgegangen, schilderte die Wissenschaftlerin. So verfasste unter anderem Jan Hus im Jahr 1405 eine Schrift gegen das Wilsnacker Blut und auch Martin Luther sträubte sich gegen die nach seiner Meinung fehlgeleiteten Devotion. Seine Sorgen um die Pilger, die ihr Geld über die Landesgrenzen trugen um dort einen Ablass zu erwerben sei nicht geringer gewesen. Bynum jedoch, habe sich vordergründig mit dem Blut selbst und dessen Rolle im Hostienkult beschäftigt „Wie kann es das Blut Christi gewesen sein, wenn dieses doch unsichtbar und unteilbar sei“, zitierte sie aus einer theologischen Debatte. Ein anderes Argument gegen die Glaubwürdigkeit des Wunders lautete, Christus habe bei seiner Auferstehung alles Blut mit sich genommen. Trotz aller Auseinandersetzungen endete die Blutlegende erst mit der Reformation, als der erste evangelische Prediger Joachim Ellerfeld 1552 die verwesenden Überreste der Wunderbluthostien endgültig ins Feuer warf. Marion Schulz
Marion Schulz
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