Landeshauptstadt: Bonbons hinter Glas
Bisher 60 000 Besucher bei Katjes / Wann die Arbeiterzahl wie angekündigt verdoppelt wird, ist ungewiss
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Babelsberg - Dass ihr rund zwanzig Journalisten über die Schulter schauen, irritiert Kirsten Lakomiak überhaupt nicht. Auch nicht, dass der brandenburgische Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns und der deutschlandweite Katjes-Chef Tobias Bachmüller ihre Arbeit begutachten. Routiniert steht sie an dem Fließband, über das sich die gelbe Bonbonmasse schiebt und beantworten nebenbei Fragen. In dem neuen Potsdamer Katjeswerk seien schon so viel Presse und Fernsehen gewesen, „da sind wir mittlerweile dran gewöhnt“, sagt die 45-Jährige.
Dass Medieninteresse an dem Katjeswerk kommt nicht von ungefähr: Wirtschaftsminister Junghanns hat „die große Hoffnung“, dass an der Wetzlarer Straße 96 bald „große wirtschaftliche Erfolge“ gefeiert werden können. Die Investitionen von rund zwölf Millionen Euro werden sich für Katjes allerdings frühestens in zweieinhalb Jahren lohnen, so Bachmüller. Zumindest will Katjes in Potsdam sein Sortiment erweitern. Laut Firmensprecher Heiner Wolters will das Unternehmen auf der Süßwarenmesse ISM Ende Januar in Köln den neuen Bonbon vorstellen, der künftig in Babelsberg vom Band rollen soll.
Die neue Süßwaren-Fabrik verdichte die Erlebnisbereiche in Babelsberg, so Junghanns – „und zwar im wirtschaftlichen und touristischen Bereich“. Denn laut Katjes-Geschäftsführer Bachmüller haben nicht nur rund 24 000 Kunden seit der Werkseröffnung im Oktober 2006 in dem Fabrikladen Bonbons und Gummibärchen gekauft, sondern 60 000 Menschen das erste gläserne Bonbonwerk Europas besucht, um durch die Glasscheibe im ersten Stock auf die Produktionsanlage im Erdgeschoss zu sehen. Sie sehen wie die Rohmasse als lange Schlange über das Band fließt, die sich schließlich in lauter einzelne Bonbons teilt, die schließlich von weiß gekleideten Arbeitern verpackt werden.
Mit bis zu 200 000 Besuchern pro Jahr rechnet Bachmüller bereits. Dass sein Potsdamer Werk nun zu den Orten der Ideen 2007 gehört, dürfte dabei helfen: Katjes ist wie berichtet einer der fünf Potsdamer Sieger im Bundes-Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“, einer Kampagne von Bundesregierung und Wirtschaft. Rund 1500 Institutionen, Vereine und Firmen aus ganz Deutschland hatten sich darum beworben. Gestern übergab Minister Junghanns Bachmüller nun eine Plakette mit der Aufschrift „Ort der Ideen“.
Als die drei Katjes-Gesellschafter 2006 beschlossen, ein neues Werk in Deutschland zu bauen, hätten sie sich gesagt: „Wenn wir neu bauen, dann bauen wir eine gläserne Fabrik“, so Bachmüller, dessen Unternehmen noch in Emmerich und bei Stuttgart Süßigkeiten-Werke betreibt. Denn der Werdegang eines Bonbons sei einfach sehr gut nachzuvollziehen. Und auch die Ideen-Wettbewerbs-Jury fand, dass in Babelsberger hinter der großen Glasscheibe „großes Kino“ stattfindet. Dass es die 4500 Quadratmeter große Produktionsstätte überhaupt gibt, liegt daran, dass das Unternehmen seit 2004 mehrere Bonbonmarken „zusammengekauft“ hat, erklärt Bachmüller. Diese wurden bis vor Kurzem noch in Finnland und Italien hergestellt. Doch sei dies wegen der großen Entfernungen sehr kompliziert gewesen und auch mit der Qualität sei man nicht immer zufrieden gewesen, so Bachmüller. Nach Babelsberg zog ihn dann neben der 28-prozentigen Förderung des Landes auch die Nähe zu Berlin und zum Filmpark. Denn „wir wollen möglichst viele Besucher“, sagte Bachmüller. Und vom Erlebnispark profitiere Katjes in dieser Hinsicht. Der Beweis: Seit im Park Ende Oktober die Winterpause begann, besichtigten ein Drittel weniger Menschen das Werk, so der Katjes-Chef.
Ein weiterer Standortvorteil ist, dass die Arbeitsagentur alle Angestellten fördert. Alle waren zuvor arbeitslos, etwa zwei Drittel sind über 50 Jahre alt. Den Großteil der Lohnkosten zahle aber Katjes, so Bachmüller. Die Frage, wann das Unternehmen wie anfangs angekündigt seine Mitarbeiterzahl auf 120 aufstocken werde, wollte Bachmüller gestern nicht beantworten. Allerdings arbeiten die ersten 30 Angestellten, darunter Kirsten Lakomiak, gerade 26 neue Kollegen ein – die „zweite Schicht“.
Juliane Wedemeyer
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