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DRK-Werkstätten im Stadtteil Am Stern: Bonbons, Recycling und eine leuchtende Mauer

Die Aufträge sind vielfältig in der Behindertenwerkstatt des DRK: Es wird repariert, gedruckt, verpackt. Jetzt feierte die Einrichtung Geburtstag.

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Metall-Werkstatt, Konfektionierung, Montageabteilung, eine Druckerei – an sich sind die DRK-Werkstätten im Stadtteil Am Stern ein ganz normaler Handwerksbetrieb. Ein Betrieb mit kleinen Besonderheiten aber: Steffen Ziems, Leiter der Abteilung Vertrieb und Marketing, betritt die Werkstatt für Metallverarbeitung. Breit lächelnd kommt ein Mitarbeiter auf ihn zu und umarmt ihn fest. „Ja, ich hab’ dich auch gern“, sagt Ziems geduldig und erwidert die Umarmung. „Der Kollege drückt einfach gerne andere“, erklärt er später. Man merkt: Hier wird individuell auf jeden Einzelnen eingegangen.

Und das bereits seit zehn Jahren. Jüngst wurde das Jubiläum gefeiert, mit einem Fest für alle, die in den Werkstätten für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen arbeiten. Eigentlich könnte die Einrichtung sogar bereits ihren 33. Geburtstag begehen, denn gegründet wurde sie 1982: „Wir saßen damals noch in der Waldstadt und hatten anfangs 20 Mitarbeiter“, sagt Ziems. Heute ist der Betrieb mit insgesamt 201 Stellen die größte Behindertenwerkstatt Potsdams nach den Werkstätten des Oberlinhauses.

Aufwendiger Umzug

Kurz nach der Wende, 1992, übernahm das Deutsche Rote Kreuz die Einrichtung, die daraufhin in den Waldhornweg Am Stern umzog. 13 Jahre blieb sie dort, dann musste dringend eine neue Lösung her: „Das Gebäude war eine alte DDR-Baracke, die irgendwann einfach zu klein war und auch den Anforderungen an eine moderne Behindertenwerkstatt nicht mehr genügte“, sagt Ziems. Für 1,6 Millionen Euro entstand daher 2005 der Neubau an der Kohlhasenbrücker Straße – ein Vorhaben mit gewaltigem bürokratischen Aufwand, da sich die Baustelle in unmittelbarer Nähe der denkmalgeschützten unterirdischen Bunkeranlagen des ehemaligen Reichsfilmarchivs befand. Die damals eingereichten Bauunterlagen hatten einen Umfang von 21.600 Seiten.

Doch der Aufwand hat sich gelohnt, denn mit dem Umzug verbesserten sich die Arbeitsbedingungen enorm: Statt zuvor etwa 80 Stellen konnte der Betrieb nun rund doppelt so viele Mitarbeiter beschäftigen. Auch neue Arbeitsfelder kamen hinzu: der Bereich Hauswirtschaft etwa, der unter anderem Cateringaufträge übernimmt, oder der Förderbeschäftigungsbereich, in dem Menschen mit besonders starken Behinderungen arbeiten. Heute verfügt die Einrichtung nicht nur über eine Druckerei und Werkstätten für Montage, Verpackung, Metallverarbeitung und Recycling von Elektrogeräten, sondern beschäftigt auch Mitarbeiter in der Landschafts- und Gartenpflege. Zudem betreiben die DRK-Werkstätten eine Außenstelle für Industriereinigung in Rehbrücke und das „iCafe“ in Drewitz.

Die Starken stützen die Schwachen

Neben dem Werkstattneubau entstand 2005 auch ein einstöckiges Wohnhaus für 35 Menschen mit Behinderung auf dem Gelände an der Kohlhasenbrücker Straße, sodass die Bewohner kurze Wege zu ihrem Arbeitsplatz haben. Die frühere, kleinere Wohnstätte befand sich in der Karl-Marx-Straße, in einer alten Villa mit Wendeltreppen. „Das war natürlich nicht sehr behindertengerecht“, sagt Ziems.

Die Beschäftigten der DRK-Werkstätten haben zum Teil sehr verschiedene Einschränkungen und dementsprechend unterschiedliche Leistungslevel. Ganz nach dem Solidaritätsprinzip stützen die Starken die Schwachen, jeder übernimmt die Arbeiten, die seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprechen. „Wir haben zum Beispiel einen Kollegen, der gerne alleine arbeitet“, sagt Ziems. „Also haben wir ihm einen eigenen Bereich eingerichtet, wo er räumlich getrennt vom restlichen Team arbeiten kann.“

Besonderer Auftrag zum Mauerfall-Jubiläum

Derzeit haben die DRK-Werkstätten einen Stamm von rund 100 Kunden, darunter Automobilzulieferer, Pharmaunternehmen und öffentliche Verwaltungen. „Das basiert auf dem Vertrauen, dass wir unsere Arbeit gut machen“, sagt Ziems nicht ohne Stolz. Allerdings profitieren die Kunden auch von einem günstigeren Mehrwertsteuersatz: Statt der üblichen 19 werden nur 7 Prozent fällig, weil die Einrichtung gemeinnützig ist. Die Tätigkeiten sind jedenfalls vielfältig: Je nach Auftrag wird repariert, montiert, geschraubt – aber auch verpackt. Derzeit füllen zum Beispiel einige Mitarbeiter Bonbons für einen bekannten Süßwarenhersteller in Tüten ab.

Einen ganz besonderen Auftrag erhielten die Werkstätten im vergangenen Jahr: Für die große Feier zum 25. Jubiläum des Mauerfalls in Berlin fertigte der Betrieb die Leuchtballon-Lampen: 6800 dieser Leuchtstelen wurden entlang des ehemaligen Mauerverlaufs in der Stadt aufgestellt und bildeten die „Lichtgrenze“. „Wir haben uns ganz normal darum beworben und bekamen den Zuschlag, weil wir genügend Manpower, logistische Kapazitäten und ein großes Lager hatten“, sagt Ziems. Letzterer Punkt war nicht ganz unwichtig, denn irgendwo mussten die 6800 Lichtstelen ja aufbewahrt werden.

Familiäre Atmosphäre

In naher Zukunft kommen neue Schwierigkeiten auf die DRK-Werkstätten zu, denn der demografische Wandel ist auch hier zu spüren: „Wenn die Kollegen älter werden, wird es zum Teil zur Herausforderung, passende Aufträge für sie zu finden“, so Ziems. Auch die Pflege werde stärker in den Fokus rücken. Zudem stellen sich die Werkstätten darauf ein, dass die Zahl der Mitarbeiter mit psychischen Erkrankungen steigen wird. „Wir haben immer mehr Beschäftigte, die aus dem normalen Arbeitsleben kommen“, sagt Ziems. Immer öfter hielten Angestellte dem Druck und der Schnelligkeit ihres Arbeitsalltags nicht mehr stand und würden psychisch krank.

In den DRK-Werkstätten herrscht ein anderes Klima: Obwohl die Aufträge so gut wie immer pünktlich fertig werden, wird nicht mit Termindruck gearbeitet, so Ziems. Die Atmosphäre ist familiär, alle Angestellten kennen sich untereinander. Für viele Mitarbeiter sei ihre Beschäftigung nicht nur Beruf, sondern Berufung, sagt Ziems: „Es ist schön, morgens herzukommen und zu spüren, dass viele hier genau richtig sind.“

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