DASwar’s: Böse Geister lassen sich nicht vertreiben
Es heißt, dass an Silvester Raketen und Böller dazu dienen, böse Geister zu vetreiben. Zumindest soll der Beginn des Jahres frei von bösen Geistern sein.
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Es heißt, dass an Silvester Raketen und Böller dazu dienen, böse Geister zu vetreiben. Zumindest soll der Beginn des Jahres frei von bösen Geistern sein. Denn irgendwie scheinen sie im Verlauf eines Jahres wieder aufzutauchen, warum sollte man sonst erneut am 31. Dezember knallen. Zudem scheint es immer mehr böse Geister zu geben: Es wird immer mehr geballert, rund 150 Millionen Euro werden dieses Jahr in die Luft gehen.
Ich habe schon lange keine Pyrotechnik mehr gekauft. Als ich jetzt zu Weihnachten in meinem Heimatdorf war, stand ich vor einem alten Haus, in dem früher mal die Dorfdrogerie war. Ich haben diesen Laden geliebt. Es roch nach Seife und Pfefferminz und der Inhaber war ein strenger, sehr gewissenhafter Mann. Es wäre nie möglich gewesen, dass er uns Jugendlichen am 30. Dezember auch nur einen Blitzknaller verkauft hätte. Immer am vorletzten Tag des Jahres wurde in der Drogerie Silvesterkram verkauft. Schon Stunden bevor der Laden öffnete, bildete sich eine lange Schlange vor der Tür. Ich stand auf der anderen Straßenseite, kramte in der Hosentasche an einem Fünf-Mark-Stück rum und taxierte, wen in der Schlange ich fragen könnte, ob er mir eine Packung „Harzer Knaller“ kauft. Ich hab mich ewig nicht getraut, das Drogeriekontigent an Feuerwerkskörpern musste schon ziemlich geschrumpft sein, als ich endlich einen langhaarigen Typen in Jeanskluft anbettelte. Der schien mir verständnisvoll. Doch er meinte: „Nee, mach ick nich!“
Wenn es hochkommt, hab ich in meinem Leben eine Packung Knaller verbraucht. Ich bin nicht so der Knall-Typ. In ganz Potsdam ist überhaupt zu wenig geknallt worden in den letzten Jahren, sonst es hätte es nicht so viele böse Geister gegeben. Die hätten dann nicht rumgepfuscht bei der Sanierung der Sporthalle am Luftschiffhafen. Ohne böse Geister gebe es an der Schule meine Sohnes sicher schon längst eine neue Mensa. Und ohne Hexenwerk wäre Potsdam staufrei. Und es kann ja nur durch Geisterhand geschehen, dass alle Ampeln permanent auf Rot stehen. Sicher liegt es an einem bösen Zauber, dass das neue Schwimmbad teurer wird als angekündigt. Egal ob letztlich Bettensteuer, Tourismusabgabe oder Parkeintritt – es ist alles von Geisterhand geführt.
Es ist unmöglich, dass am kommenden Dienstag so viel geknallt wird, um alle bösen Geister für immer aus der Stadt zu vertreiben und um das neue Jahr ohne sie zu beginnen. Daher werde ich es gar nicht erst versuchen. Spätestens wenn ich am 6. Januar an irgendeiner Ampel stehe, meinem Sohn eine Extra-Ration als Mensa-Ersatz mitgebe und ich am Abend am Brauhausberg vor einer proppevollen Schwimmbahn stehe, wird das neue Jahr so sein wie das alte. Ich werde mit dem Geist und den Geistern dieser Stadt leben. Und ich bin sicher: Das nächste Jahr wird zauberhaft und magisch.
Peter Könnicke ist freier Journalist und arbeitet als Lauf- und Fitnesstrainer.
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