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Ungerechte Aufteilung. Die Friedrich-Ebert-Straße zwischen Nauener Tor und Charlottenstraße ist neben der Brandenburger Straße Potsdams Haupteinkaufsstraße. Allerdings gibt es weitaus mehr Platz für Autofahrer, als für Fußgänger. Das soll sich ändern.

© Andreas Klaer

Friedrich-Ebert-Straße in Potsdam: Boulevard oder Flaniermeile?

Die Friedrich-Ebert-Straße soll rad- und fußgängerfreundlich werden – und autofrei. Nicht allen gefällt das.

Potsdam - Uneinigkeit bei der Umgestaltung der Friedrich-Ebert-Straße: Bei der ersten öffentlichen Werkstatt am Montag, an der rund 100 Potsdamer teilnahmen, wurde über eine Neuordnung des Streckenabschnitts zwischen Charlottenstraße und Nauener Tor diskutiert. „Flanieren oder Verkehrsfunktion?“, brachte Potsdams Baubeigeordneter Bernd Rubelt (parteilos) das Grundproblem auf den Punkt. Er sehe in der Straße „Defizite für alle Verkehrsteilnehmer", vor allem bei der Barrierefreiheit der Bus- und Tramhaltestellen.

Die Teilnehmer sollten Kritik und Vorschläge für den Umbau der Straße einbringen, der 2023 erfolgen soll. Das Leipziger Planungsbüro Stadtlabor hatte im Auftrag der Stadt zwei mögliche Varianten entworfen: Beide sehen vor, dass in der Friedrich-Ebert-Straße keine Pkw mehr parken oder fahren sollen, die Straße wäre nur noch für Radfahrer, den Lieferverkehr sowie Busse und Trams zugelassen.

„Schlechte Politik, immer mehr Autos aus Potsdam raus- und Fahrräder reinzuholen“: Händler wollen die Umgstaltung verhindern

Dies stieß bei einigen Anwesenden, darunter viele Gewerbetreibende, auf Widerstand: „Ich bin hier, um diese Umgestaltung zu verhindern – die Friedrich- Ebert-Straße war schon immer befahrbar“, sagte ein Anwohner. Eine Geschäftsinhaberin fürchtete um ihre Kunden: „Ich finde, es ist eine schlechte Politik, immer mehr Autos aus Potsdam raus- und Fahrräder reinzuholen.“ Auch Mitglieder des Seniorenbeirats und der AG Innenstadt sprachen sich gegen eine autofreie Innenstadt aus. Daneben gab es aber auch viele, die sich für den Rückbau der 35 Stellplätze entlang der Friedrich- Ebert-Straße aussprachen: „Es gibt kein verbrieftes Recht, direkt vor seiner Haustür zu parken“, sagte ein Teilnehmer.

Hintergrund der Werkstatt ist das 2017 beschlossene Innenstadtverkehrskonzept, das vor allem die Situation für Fußgänger und Radfahrer verbessern soll. Das Konzept war mit Beteiligung vieler Anwohner entstanden, die sich vor allem eine Begrenzung des Autoverkehrs gewünscht hatten. „Steigerung der Aufenthaltsqualität und Erhöhung der Sicherheit sind die maßgeblichen Ziele für die Friedrich-Ebert-Straße“, sagte Norman Niehoff, Leiter des Bereichs Verkehrsentwicklung der Stadt. Außerdem sollen die Tram- und Bushaltestellen an der Straße endlich barrierefrei werden – in diesem Punkt waren sich alle einig.

Raumaufteilung "ungerecht": Fußgänger haben nur wenig Platz 

Wie diese Ziele jedoch erreicht werden sollen, darüber gab es verschiedene Meinungen: In der von Stadtlabor unter dem Titel „Boulevard“ vorgestellten Variante 1 würde die Fahrbahn von derzeit 12,8 Metern auf 6,5 Meter verengt, die Gehwege würden jeweils drei Meter breit werden und durch einen 2,8 Meter breiten „Funktionsstreifen“ ergänzt werden, auf dem Platz für Lieferverkehr, Radstellplätze oder Stühle und Tische ansässiger Gastronomien wäre. Dazu kommt ein 1,8 Meter breiter Radweg zwischen Fahrbahn und Funktionsstreifen.

Die zweite Variante unter dem Titel „Flaniermeile“ sieht eine offenere Aufteilung der Friedrich-Ebert-Straße ohne klare Zuteilung von Rad- oder Fußwegen vor: Die ganze Straße würde sich als ein gemeinsam von Fußgängern, Radfahrern und Nahverkehr genutzter Raum auf einer Ebene befinden.

Stadtlabor begründete die Vorschläge mit aktuellen Beobachtungen: „Die Raumaufteilung ist ungerecht, denn obwohl die Friedrich-Ebert-Straße über 20 Meter breit ist, haben die Hauptnutzer – die Fußgänger – dort nur sehr wenig Raum zur Verfügung“, sagte Tim Tröger von Stadtlabor. Derzeit ist der Fußweg zwar rund vier Meter breit, viel Fläche sei jedoch mit Tischen, Stühlen, Radständern, Werbetafeln oder Mülltonnen zugestellt. „Die parkenden Autos trennen zudem beide Straßenseiten voneinander“, so Tröger.

„An erster Stelle steht der Fußgänger als der schwächste Verkehrsteilnehmer“

Ein klares Votum gab es für keine der beiden Varianten: Beide hatten Gegner und Befürworter, einige Teilnehmer sprachen sich auch dafür aus, alles beim Alten zu belassen, und nur die Haltestellen barrierefrei zu machen. Vor allem Gewerbetreibende forderten zumindest Kurzzeit-Parkplätze für Kunden, etwa Mitarbeiter des Sanitätshauses Kniesche, vor dem sich derzeit zwei Behinderten-Parkplätze befinden. Einig waren sich die meisten darin, dass die Ecke Gutenbergstraße/Friedrich-Ebert-Straße sehr unübersichtlich und ein Unfallschwerpunkt sei. Da die Gutenbergstraße zudem oft als Schleichweg dient, prüft die Stadt derzeit, ob die Straße für den Autoverkehr generell gesperrt werden soll.

Weitere Vorschläge der Werkstatt waren eine Tempo-10-Zone zwischen Charlottenstraße und Nauener Tor, eine Ampel für Ältere und Behinderte, um die Friedrich-Ebert-Straße queren zu können, eine bessere Pflasterung vor dem Nauener Tor oder saisonal unterschiedliche Verkehrsregelungen nach schwedischem Vorbild. Bereits jetzt soll der Einkaufsbereich zwischen Hegelallee, Friedrich- Ebert- und Brandenburger Straße zur Tempo-20-Zone erklärt werden.

Entschieden ist noch nichts. Man werde sich ähnliche Projekte in anderen Städten anschauen, kündigte Rubelt an. „Natürlich müssen wir uns Gedanken machen, wo die Menschen künftig parken können, die derzeit die 35 Stellplätze an der Friedrich-Ebert-Straße nutzen“, sagte Rubelt, auch der Lieferverkehr habe hohe Priorität. Aber: „An erster Stelle steht der Fußgänger als der schwächste Verkehrsteilnehmer.“ Am 11. Juni geht es weiter: Dann geht die Werkstatt in die zweite Runde.

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