Von Peer Straube: Brandbrief gegen „Gipsengelchen“
Exklusiv-Einrichter Abraham verlässt das Holländische Viertel und kritisiert die Stadt und die Händler
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Innenstadt - Vor einem Jahr war es nur ein Gerücht, das sich als haltlos erwies. Nun ist es Gewissheit. Eine Händlerlegende wird das Holländische Viertel verlassen. Der Exklusiv-Einrichter Thomas Abraham, der seit 17 Jahren einen Kunst- und Antiquitätenhandel im Kiez betreibt, gibt sein Geschäft in der Mittelstraße 12/13 Ende September auf. Es galt als Mekka für die Schönen und Reichen, wer am Heiligen See oder Griebnitzsee wohnte, ließ Abraham gern seine Villen einrichten, die Kunden kamen aus München, Köln und Hamburg, selbst in Amsterdam und Mallorca erlag man seinem Chic. Das Top-Model Franziska Knuppe kaufte bei Abraham, Familie Joop oder TV-Moderator Ulrich Meyer.
Nun geht er, und er verabschiedet sich mit einem Brandbrief an den Oberbürgermeister. „Mich schmerzt die Schließung meines Stammgeschäftes“, schreibt Abraham. Dennoch habe ihn letztlich die „bedenkliche Entwicklung“ des Viertels zu diesem Schritt veranlasst. Die Stadt habe für diese „einmalige städtebauliche Perle von Anfang an kein Konzept“ gehabt, wettert der Kunsthändler, dafür aber „Bürokratie im Übermaß“. Willkürlich habe etwa die Denkmalpflege agiert, an den drei von Abraham sanierten Holländerhäusern keine Außenbeleuchtung und -werbung akzeptiert. Auch würden die parkenden Autos, das „haufenweise Blech“, der Bedeutung des Quartiers nicht gerecht, die „schummerige Beleuchtung“ halte des nachts Besucher fern.
Dennoch sucht Abraham die Schuld nicht allein bei der Stadt. Händler und Eigentümer hätten ebenso ihr Scherflein zur Krise beigetragen. Der „Denkmalcharme“ der Häuser allein garantiere eben keinen Umsatz, sagt Abraham mit Blick auf die gerade in den letzten Monaten besonders hohe Händler-Fluktuation und ätzt: „Gipsengelchen ziehen keine neuen Kunden an.“ Zudem fehle es an Einigkeit unter den Gewerbetreibenden. Es gebe weder einen Sprecher, noch ein gemeinsames Marketing-Konzept. Der Adressat des Briefes äußerte gestern Verständnis für die Kritik Abrahams. Es könne etwa nicht sein, dass jeder Händler mit allen Ämtern separat über seine Anliegen diskutieren müsse, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den PNN. Er habe die Wirtschaftsförderung beauftragt, sowohl die Gewerbetreibenden als auch alle betroffenen städtischen Behörden – vom Ordnungsamt bis zur Straßenverkehrsbehörde – an einen Tisch zu holen. Noch in diesem Jahr hofft Jakobs auf Ergebnisse und damit eine Trendwende im vor sich hin kriselnden Holländischen Viertel. Das Geschäftsstraßenmanagement soll zusätzliche Effekte bringen. Über die Parkplatzproblematik könne man reden, so Jakobs, stattdessen aber den Bassinplatz mit Autos „zuzustellen“ komme „auf keinen Fall in Frage“. Wie Abraham macht auch das Stadtoberhaupt die Händler und die Eigentümer für die Krise mitverantwortlich. „Gemeinsam miteinander reden ist das Entscheidende“, sagte Jakobs. „Das ist nie gelungen.“ Zudem müssten die Hauseigentümer ihre oft zu hohen Mieten überdenken – eine Forderung, die auch der Kunsthändler erhebt. Der betreibt zwar seit einem Jahr bereits ein Geschäft in der Knesebeckstraße am Berliner Ku’damm. Doch ganz aus Potsdam zurückziehen will sich Abraham nicht. „Ich suche geeignete Räume“, sagt er, „zum Beispiel in der Berliner Vorstadt.“
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