Landeshauptstadt: Brandbrief zum Klinikum
Klinik-Chef Grebner zieht positive Bilanz im Hauptausschuss / Betriebsrat legt Kritikliste vor
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Trotz Tarifkonflikt am Klinikum „Ernst von Bergmann“ hat Klinikum-Chef Steffen Grebner vor den Stadtverordneten im Hauptausschuss gestern Abend eine positive Bilanz seiner Arbeit gezogen. Mit Diagrammen stellte er dar, dass sich beispielsweise die Patientenzufriedenheit an dem kommunalen Betrieb „merklich“ erhöht habe. Die Zahl der Behandlungen sowie die der Mitarbeiter sei gestiegen. So lag die durchschnittliche Zahl der im Klinikum beschäftigten Vollzeitkräfte im vergangenen Jahr bei 1981, das seien 197 mehr als 2008. „Wir konnten viele Ärzte einstellen“, so Grebner.
Nicht ganz so glänzend stellt sich die Bilanz aus Sicht des Betriebsrats dar. Das Gremium legte den Stadtverordneten ein Papier mit etlichen Kritikpunkten vor. So bestehe bei Ärzten eine „hohe Fluktuation“, in der „Einkommensentwicklung“ werde das Klinikum „deutlich“ von vergleichbaren Einrichtungen abgehängt. Ein von zahlreichen Kündigungen betroffener Bereich sei etwa die Anästhesie, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: „Wie diese Lücke zu schließen ist, die die Qualität der Patientenversorgung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klinikums gefährdet, wissen wir noch nicht.“
Weiterhin bemängelt der Betriebsrat, dass nötige Überstunden der Ärzte nicht gezählt würden. Eine tariflich vereinbarte Arbeitszeiterfassung sei bisher „verweigert“ worden. Zu diesem Punkt sagte Grebner – der offenbar von dem Papier überrascht wurde und sich nicht zu jedem Punkt äußern konnte – darüber werde verhandelt.
Auch für die Pflegekräfte sieht der Betriebsrat „keine Entwarnung“. So habe zwar die Zahl der Anzeigen von akuter Überlastung abgenommen. Doch liege das nicht an der sinkenden Belastung, vielmehr hätten die Mitarbeiter das „Vertrauen“ in solche Anzeigen verloren, weil kaum eine Besserung der Arbeitsbedingungen zu spüren sei. Die Klinikspitze bestritt dies. Der Betriebsrat schildert, dass bei Überlastungen inzwischen Mitarbeiter „aus Frei“ als Ersatz zurück ans Klinikum gerufen würden – und so manche Mitarbeiter aus Rücksicht auf Kollegen keine Überlastung mehr anzeigen würden.
Zum Tarifkonflikt bemerkte der Betriebsrat, das Scheitern der Verhandlungen bereite „große Sorge“. Die Gewerkschaft hatte die Tarifgespräche für die Service-Tochter des Klinikums am Dienstag offiziell abgebrochen und sich für einen Arbeitskampf entschieden. Grund sei die „unnachgiebige Haltung“ der Klinikspitze, so Verdi. Grebner bezeichnete den Abbruch als „taktisches Instrument“ und konstatierte eine „Nichtverhandlungsbereitschaft“ von Verdi. Der Betriebsrat dagegen sieht den „Unternehmenszweck“ der umstrittenen Service-Tochter im „Lohndumping“. Der Betriebsrat weiter: All diese Entwicklungen seien von der Stadt Potsdam als Eigentümer des Klinikums „toleriert“ worden.Henri Kramer
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