Homepage: Brillengläser dünn gerechnet Prof. Joachim Klebe hatte goldenes Doktorjubiläum
Seine Leidenschaft für die Kraft der menschlichen Augen hat er in wissenschaftliche Formeln gepackt. Er hat Brillengläser dünn gerechnet.
Stand:
Seine Leidenschaft für die Kraft der menschlichen Augen hat er in wissenschaftliche Formeln gepackt. Er hat Brillengläser dünn gerechnet. Und er hat Kameras dazu verholfen, Farben so natürlich wie möglich aufzunehmen. Joachim Klebe klingt stolz, wenn er über sein langes Forscherleben in Potsdam spricht, auf dessen Höhepunkt er nach der Wende Direktor des Fachbereichs Physik der Universität Potsdam war. Doch Klebes Engagement für die Potsdamer Physik reicht noch länger zurück – jüngst feierte der Professor sein goldenes Doktorjubiläum, zwei Jahre nachdem er einen autobiographisch geprägten Roman zu Ende geschrieben hat.
Das Buch heißt „Keine Schonzeit für Rehe“, die Hauptfigur als Alter Ego von Joachim Klebe trägt den Namen Reinhard „Rehe“ Hellmann. Wie der Physikprofessor wurde auch seine Romanfigur 1928 in Babelsberg geboren. „Meine 15 Tage im Krieg und die nachfolgende 15-monatige Gefangenschaft sind fast genau so passiert, wie im Buch beschrieben“, sagt Klebe. Auch die Zeit danach trägt den Lebensstempel des heute 77-Jährigen: Er machte wie seine Protagonist Reinhard Hellmann 1948 Abitur, studierte an der damaligen Brandenburgischen Landeshochschule und erhielt Ende 1955 seinen Doktortitel in der Theoretischen Physik.
Von da an ist das Spezialgebiet von Joachim Klebe die Optik. Er arbeitet bei seinen Untersuchungen mit den Rathenower Optischen Werken und dem Kombinat Carl Zeiss Jena zusammen – um optische Systeme wie Mikroskope oder Fotoapparate besser „sehen“ zu lassen. „Die nötigen Krümmungen der Linsen haben wir damals noch mit Papier und Bleistift durchgerechnet“, erzählt Klebe. Er muss kurz lachen, wenn er an die Schnelligkeit denkt, mit der heute am Computer komplizierte Rechnungen in Sekundenschnelle ablaufen. Es liegt auch ein wenig Wehmut in diesem Lachen, denn viele seiner theoretischen Erkenntnisse sind heute zwar noch richtig, aber schon von neuen Forschungen überholt.
Doch klein reden möchte Klebe seine Arbeiten nicht: Schließlich machte er damit Brillengläser für stark kurzsichtige Menschen, die dick wie Flaschenböden waren, überflüssig. In seinem Roman ist von technischen Details allerdings keine Rede. Klebe versucht in seinen Zeilen eher dem Zeitgeist nachzuspüren. Details wie 1968 die Sprengung der Garnisonkirche oder das Ende des Prager Frühlings möchte er aus seiner Sicht erzählen, ebenso den schwierigen Spagat kein Mitglied der SED zu sein, aber dennoch in der wissenschaftlichen Hierarchie nach oben zu steigen.
So erreichte Klebe auch erst nach 1989 den Höhepunkt seiner Laufbahn: Er baute den Fachbereich Physik an der Uni auf, damit er im Hochschulsystem des vereinten Deutschlands weiter bestehen konnte. Neue Studienpläne mussten her, ebenso Prüfungsordnungen und Bestimmungen für die Berufung von Professoren. „Seitdem konnte ich nicht mehr forschen“, sagt Klebe, der 1997 mit 68 Jahren in den Ruhestand ging.
In seiner Wohnung erinnert heute nur noch wenig an seine Arbeit. Nur im Bücherregal stehen noch drei Bücher, die er ab 1984 zusammen mit seiner Frau Inge veröffentlichte: „Durch die Augen in den Sinn“, „Die sieben Farben des Regenbogens“ und „Die Sprache der Zeichen und Bilder“ beschäftigen sich leicht verständlich mit optischen Täuschungen und anderen Phänomenen des Sehens. Eigentlich sollte noch ein Buch erscheinen, doch nach der Wende fand sich leider kein Verlag mehr, weil die Kosten für die Bildrechte zu hoch waren. „In der DDR hat man da nie etwas gezahlt“, erinnert sich Klebe. Das Manuskript des unveröffentlichten Buches hat er erst vor einiger Zeit „entsorgt“, stellt er ohne großes Bedauern fest. Nun hofft er, dass er für seinen Roman einen Verleger findet. Klebe klingt nicht überzeugt, dass er bei der Suche noch Erfolgt hat. Doch auch das scheint ihm nichts auszumachen. Er ist ein Mann, der niemand mehr etwas beweisen muss.Henri Kramer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: