
© A. Klaer
Kolumne PYAnissimo: Brückengeister - Geisterbrücken
Am Strand von Kalifornien findet ein Spaziergänger eine alte Öllampe. Als er den Sand abputzt, taucht plötzlich der Lampengeist auf.
Stand:
Am Strand von Kalifornien findet ein Spaziergänger eine alte Öllampe. Als er den Sand abputzt, taucht plötzlich der Lampengeist auf. „Du hast einen Wunsch frei“, sagt er zu dem Mann. Der schaut sehnsüchtig nach Westen und sagt: „Bau uns eine Brücke nach Hawaii. Vierspurig und hoch genug, dass alle Schiffe drunter durch kommen.“ Der Geist erwidert: „Das ist ein bissl kompliziert. Hast du nicht doch einen anderen Wunsch?“ Der Strandwanderer denkt nach. Alternativ, so sagt er, würde er es auch gut finden, endlich die Frauen zu verstehen. Der Geist seufzt. „Bis wann brauchst du die Brücke?“
Die Potsdamer Variante geht so: Am Uferweg findet ein Spaziergänger ein altes Grenztruppen-Nachtsichtgerät. Als er den Dreck abputzt, taucht der Lampengeist auf. „Du hast einen Wunsch frei“, sagt er zu dem Mann. Der schaut sehnsüchtig nach Osten und sagt: „Bau uns fünf Brücken nach Wannsee. Mit Gleisen für S- und Fernbahn und breit genug für den Begegnungsfall.“ Der Geist erwidert: „Das ist ein bissl kompliziert. Hast du nicht doch einen anderen Wunsch?“ Der Potsdamer überlegt. Alternativ, so sagt er, würde er es auch gut finden, endlich die Verkehrspolitik zu verstehen. Der Geist seufzt. „Bis wann brauchst du die Brücken?“
Aber am Nuthestrand liegen heute höchstens Bierbüchsen. Die hebt eh keiner mehr auf. Die Brücken der Bahntrasse zwischen Hauptbahnhof und Wannsee werden also nicht magisch saniert. Aber natürlich darf man sich schon etwas wundern über die seltsame Verkehrspolitik. Niemand hat die Absicht, die Bahnstrecke schon wieder zu sperren? Warum nicht einfach jetzt zumindest die Brücke über die Wattstraße angehen, wenn hier ohnehin monatelang am Bahndamm gebaut wird? Aber – dann wäre die Wattstraße an der Stelle auch dicht und die Autofahrer würden komplett im Dreieck springen.
Vermutlich sind Brücken einfach überbewertet. Wer früher etwas zu transportieren hatte, Ziegelsteine oder Kirschen aus Glindow, der lud alles auf seinen Kahn. Das Wasser war der Weg der Wahl. Eine entschleunigte Art, zu reisen. Dann kamen die Straßen, Eisenbahnen und Brücken, der Fährmann ging in Rente. Das Reisen wurde immer schneller und stressiger. Bis zum Mauerbau. Wenn in fünf Jahren die Brückensanierung beginnt, erinnern wir uns einfach an die Jahre zwischen 1961 und 1989. Nach Berlin ging es damals nur außen rum. Züge auf der direkten Strecke waren gut bewacht, sollte ja keiner aufspringen und flüchten. Die Jahre haben wir tapfer ausgehalten. Karat dichtete später: „Über sieben Brücken musst du gehn, sieben dunkle Jahre überstehn, siebenmal wirst du die Asche sein, aber einmal auch der helle Schein. Manchmal scheint die Uhr des Lebens still zu stehn, manchmal scheint man immer nur im Kreis zu gehn. Manchmal ist man wie von Fernweh krank, manchmal sitzt man still auf einer Bank.“ Am 10. April kann man sie sich wieder anhören im Nikolaisaal – die heimliche Hymne aller verzweifelten Bahnfahrer. Es gibt noch Karten.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.
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