Landeshauptstadt: Buchweizen und ein paar Stängel Mais
Integrationsgarten am Schlaatz bedeutet für Aussiedler mehr als ein Stückchen Land
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Integrationsgarten am Schlaatz bedeutet für Aussiedler mehr als ein Stückchen Land Von Erhart Hohenstein In der alten Heimat, ob Russland, Usbekistan oder Vietnam, gehörte das Gärtnern zu ihrem Leben. In der neuen Heimat Potsdam blicken die Einwanderer vom Balkon im achten Stock auf die nächste „Platte“. Glücklich sind sie dabei nicht. Deshalb setzte sich der Ukrainer David Shpirt in den Kopf, ihnen wieder einen Garten zu geben. Er wusste, der wäre für sie weit mehr als nur ein Stückchen Land zum Graben und zum Pflanzen, würde ihnen das Eingewöhnen erleichtern. David fand beim Potsdamer Kulturbund in Carla Villwock und Svetlana Hermann, einer Leningraderin, die richtigen Partnerinnen. Auch die Potsdamer Ausländerbeauftragte Magdolna Grasnick machte sich dafür stark. Mit ihnen konnte David seine Idee eines „Integrationsgartens“ durchsetzen, wofür der einstige Schulgarten der Weidenhof-Grundschule am Schlaatz aufgeteilt wurde. Seit dem Jahr 2000 gruppieren sich um die vom Babelsberger Stadtkontor finanzierte Gemeinschaftslaube die Parzellen. Kaum so groß wie eine Schlaatz-Wohnung, erlauben sie doch eine weite Reise durch die Gartenkultur verschiedener Völkerschaften. Ismets sechsköpfige Familie aus dem Kosovo baut auf ihrem Stück Mais an. Ein paar Stängel nur, aber Ismet ist sich sicher, dass ein Garten ohne Mais kein Garten sein kann. David hat aus Kiew Samen einheimischer Sorten mitgebracht, von Dahlien und natürlich vom Buchweizen. Russland und Weißrussland sind mit Roten Rüben vertreten, wer denkt da nicht an Borschtsch, die unvergleichliche Suppe! Rote Beete gibt es ebenso bei den Litauern, dazu aber auch eine Vielfalt von Kräutern. Sonnenblumen wiegen bei den Moldawiern ihre Köpfe. Auch die aus Usbekistan gekommenen deutschstämmigen Aussiedler haben ihr Pflanzprogramm auf den Süden abgestellt. Ganz mit Kräutern bebauen die Vietnamesen ihre Parzelle, exotischen Würzkräutern, die in ihrer Küche eine wichtige Rolle spielen und die es in Deutschland sonst nicht gibt. Deutsche Kleinstgärtner finden sich hier ebenfalls, die haben der Erdbeere zu ihrem Recht verholfen. Auch wenn die Weidenhof-Kinder ihren Schulgarten nicht mehr brauchten, weil es ja im modernen Deutschland keinen Schulgartenunterricht mehr gibt, ein Beet haben sie behalten und mit einer Auswahl von Getreidesorten bestellt. Die Schule ist überhaupt gut Freund mit den Integrationsgärtnern, stellt ihnen beispielsweise ein Winterquartier für nicht frostharte Pflanzen zur Verfügung. Inzwischen wurde auf dem Gelände auch ein Brunnen mit Pumpe installiert, das Wasser kommt aber nach wie vor fast ausschließlich aus der Nuthe. Durch einen des Korbflechtens kundigen Litauer hat die Gemeinschaftslaube unlängst einen schicken Weidenzaun erhalten. Die Integrationsgärtner, die bekanntlich keineswegs zu den Wohlhabenden gehören, bezahlen keine Pacht, sondern einen geringen Mitgliedsbeitrag an den Kulturbund und sind dadurch versicherungsrechtlich geschützt. Carla Villwock und Svetlana Hermann möchten die Idee der „Integrationsgärten“ gern weitertragen. Deshalb veranstalten sie Tage des offenen Gartens, Kinderfeste und Begehungen während der Woche der ausländischen Mitbürger. Bis zu 100 Gäste können sie dazu begrüßen. Damit die Gartengemeinschaft auch im Winter eine Gemeinschaft bleibt, haben sie sich einen ungenutzten Flachbau am Schlaatz ausgeguckt. Ihn möchten sie gern als Treffpunkt mit Bastel- und Nähstube einrichten.
Erhart Hohenstein
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