Landeshauptstadt: Bunte Eier für den Widerstand
Im Zentrum Ost feierten gestern Kurden gemeinsam mit Deutschen das Neujahrsfest „Newroz“
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Zentrum Ost - Safye Erol spricht nicht gern über ihre Flucht. Sie sei im Lkw eines Menschenschleppers mitgefahren, hinten versteckt im Laderaum. „Reicht das jetzt?“, fragt die 36-Jährige. Siebzehn Jahre ist es her, dass die Kurdin ihre Heimat an der türkisch-syrisch-irakischen Grenze verlassen hat. Mittlerweile lebt ihre gesamte Großfamilie hier, in Potsdam. In Sicherheit. In Freiheit.
In der Türkei hatte sich ihre Familie für die Freiheit Kurdistans eingesetzt, der Vater saß darum im Gefängnis. Der bewaffnete Konflikt zwischen den Guerillakämpfern, die ein unabhängiges Kurdistan fordern, und der türkischen Armee soll allein zwischen 1984 bis 1999 mehr als 30 000 Todesopfer auf beiden Seiten gefordert haben, auch unter der Zivilbevölkerung.
Safye Erol ist eine von rund 300 Kurden in Potsdam. 70 kurdische Familien wohnen hier. Ihre Familie ist eine der ersten, die nach der Wende hierhergezogen sind. Viele der insgesamt 800 000 Kurden in Deutschland kamen als ehemalige Gastarbeiter ins Land, viele aber auch wie Familie Erol als politische Flüchtlinge.
Zur neuen Freiheit Safye Erols gehört, dass sie Newroz feiern darf – das kurdischen Neujahrsfest. Als Vertreterin des Bündnisses der Kurden in Berlin und Brandenburg ist sie gestern in die Senioren- Freizeitstätte der Alfred und Toni Dahlweid-Stiftung gekommen. Mit den rund 40 Besuchern feierte sie den Abschluss der einwöchigen Frühlingsparty. Sie hat extra gekocht: Kuskus, Brötchen und mit Hackfleisch gefüllte Reisbällchen. Gewöhnungsbedürftig fanden die deutschen Gäste aus dem Zentrum Ost die Gerichte, aber lecker und liebevoll zubereitet. In der Türkei wäre die Veranstaltung verboten gewesen, obwohl 20 Prozent der Bevölkerung Kurden sind. Und weil es verboten ist, ist es für die Kurden auch ein Akt des Widerstands.
Dabei gilt es als eines der ältesten kurdischen Feste. 612 vor Christus soll es das erste Mal begangen worden sein. Newroz, das heißt so viel wie neuer Tag. Und wenn Safye Erol es in Potsdam mit ihrer Familie feiert, decken die Frauen einen Tisch voller Speisen. „Wir stellen auch einen Spiegel darauf, eine grüne Kröte und Wasser“, sagt sie. Das Wasser symbolisiere das Leben, die grüne Kröte das Leben, der Spiegel das Licht. Und weil Newroz auch das Fest der Wiedergeburt ist, verschenken die Kurden an diesem Tag auch bunte Eier. „Als Zeichen für das neue Leben“, erklärt Safye Erol.
Auch nach siebzehn Jahren in Deutschland spricht sie nur gebrochen deutsch. Kurdische Frauen hätten es schwer, im Ausland Fuß zu fassen, weil sie meist keine Ausbildung haben, sagt sie. Doch sie versucht jetzt, ihren Schulabschluss nachzuholen. Danach soll ihr neues Leben beginnen. Sie möchte einen Beruf erlernen, in dem sie Flüchtlingen hilft. just
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