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Wieder mit Kette. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD, l.) bekam vom Stadtverordneten-Chef Peter Schüler feierlich die Amtskette umgehängt.

© Andreas Klaer

Von Sabine Schicketanz: Bürger-Offensive für die zweite Amtszeit

Jakobs nach Wiederwahl ins Amt eingeführt / Ab sofort regelmäßige repräsentative Bürgerbefragungen

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Jann Jakobs geht auf Tuchfühlung mit den Potsdamern. Zur offiziellen Einführung ins Amt des Oberbürgermeisters nach seiner Wiederwahl, die gestern Nachmittag im Plenarsaal des Rathauses stattfand, kündigte der SPD-Mann eine Offensive bei der Bürgerbeteiligung an. Ab sofort will Jakobs in Potsdam regelmäßig repräsentative Bürgerbefragungen zum „allgemeinen Wohlbefinden in der Stadt“ durchführen lassen. Außerdem sollen nach Bedarf und in „unregelmäßigen Abständen“ Befragungen zu speziellen politischen Themen stattfinden. Jakobs will zudem im Rathaus ein „Büro für Bürgerbeteiligung“ einrichten. Dieses soll auch den Bürgerhaushalt besser machen.

Unterdessen meldeten sich Potsdamer Bürger lautstark zu Wort. Während Jakobs noch Glückwünsche entgegennahm und mit einem Glas Bier anstieß, drangen gellende Pfiffe in den Plenarsaal: Vor dem Stadthaus demonstrierten 500 Potsdamer Kleingärtner für den Erhalt ihrer Flächen (siehe Beitrag unten).

Als Beispiel für die neue Potsdamer Direkt-Demokratie nannte der Oberbürgermeister Tübingen. Dort hätten die Bürger kürzlich entschieden, wo zur Konsolidierung des Haushalts gespart werden soll. Um in Potsdam ebenfalls „Bürgerpanels“ zu etablieren, will Jakobs mit dem Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer zusammenarbeiten. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, der bei der Oberbürgermeister-Wahl zum zweiten Mal Jakobs’ schärfster Konkurrent gewesen war, reagierte auf die Ankündigungen sarkastisch. Die Linke habe bereits seit Jahren in Anträgen mehr Bürgerbeteiligung und Bürgerbefragungen gefordert, sagte er.

Jakobs hatte bei der Oberbürgermeister-Stichwahl am 3. Oktober knapp 61 Prozent der Stimmen bekommen, Scharfenberg erreichte gut 39 Prozent. Vor acht Jahren waren die beiden bereits einmal gegeneinander angetreten; damals betrug Jakobs Vorsprung nur 121 Stimmen.

Dass die zweite achtjährige Amtszeit – Jakobs ist der erste Potsdamer Oberbürgermeister, der in freier demokratischer Wahl zum zweiten Mal gewählt wurde – nicht dazu da ist, sich auf den Lorbeeren der Wiederwahl auszuruhen, schrieb Stadtverordneten-Chef Peter Schüler (Bündnisgrüne) dem SPD-Mann deutlich ins Stammbuch. Die Wiederwahl sei „zu aller erst ein Auftrag, eine Verpflichtung“ und „nicht nur und nicht einmal zuerst ein Beleg dafür, dass Sie () Ihren Job gut gemacht haben“, sagte er. Schüler beschrieb Potsdam als Stadt im Dilemma zwischen Historie und Moderne, der Oberbürgermeister müsse nicht nur „Lösungen für den Einzelfall“ finden, sondern „die Sensibilität in der Verwaltung stärken“ und Methoden zur Früherkennung möglicher Konflikte entwickeln. Dabei nannte Schüler nur einige der derzeit heftig umstrittenen Projekte wie das Einkaufszentrum Drewitz-Center, die Matrosenstation Kongsnaes, die unklaren Umstände um das Haus Dietz. Für die Stadtverordneten forderte er „mehr Entgegenkommen und Bereitwilligkeit“ von Jakobs, zum Beispiel bei Anfragen und Akteneinsicht. Schüler bezeichnete Jakobs’ Amt als schwer: „Ich bin gar nicht mehr sicher, ob ich Ihnen zur Wiederwahl gratulieren soll.“ Aber Jakobs habe es ja so gewollt. Als Geschenk des Stadtverordneten-Chefs bekam er eine Silberweide, die auf der Freundschaftsinsel gepflanzt werden soll.

Jakobs stellte seine zweite Amtszeit in seiner Antrittsrede, die teilweise an seine Bewerbungsrede auf dem SPD-Nominierungsparteitag erinnerte, unter das Motto „Das Wachstum meistern“. Potsdams Boom fordere der Verwaltung viel ab. Gleichzeitig sei die Stadtkasse klamm. Es komme darauf an, so Jakobs, „ob wir Sparen, Vorsorge und Investitionen klug miteinander verbinden“. Auch müsse die Politik ihr Handeln „so erklären, dass die Bürger die Leitidee von moderner Wirtschaft, Bildungschancen für alle und Miteinander“ leben könnten. Dafür sei stärkere Bürgerbeteiligung wichtig. Dazu zitierte Jakobs den Philosophen Peter Sloterdijk. Politik dürfe, so Sloterdijk jüngst im „Spiegel“, nicht immer mehr dem „Monolog eines Autistenclubs“ entsprechen.

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