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Jennifer Zietz (26) kickt seit 1999 für Turbine Potsdam und ist seit 2007 Mannschaftskapitän.

© Kuppert

Sport: Champions-League-Finale statt Hochzeit

Turbine Potsdams Kapitän Jennifer Zietz: Wir wollen uns am Donnerstag noch mehr belohnen

Stand:

Jennifer Zietz, hat Ihnen Ihre Mutter Beate schon verziehen?

Wieso?

Statt bei ihrer Hochzeit am Freitag ihre Trauzeugin zu sein, fliegen Sie am Dienstag mit Turbine Potsdam zum Champions-League-Finale der Frauen nach Madrid.

Natürlich hat sie mir das verziehen. Sie weiß ja, wie wichtig mir der Fußball und dieses Endspiel ist. Sie würde nicht verlangen, dass ich den Sport hintenan stelle. Sie ist zwar traurig, dass ich nicht da sein werde – aber was soll man machen. Wir hätten bei der Planung ihrer Hochzeit ja früher an dieses Finale denken können. So wird meine Schwester Jacqueline Trauzeugin sein.

Sie haben bisher schon alle 22 UEFA-Cup- und Champions-League-Spiele Turbine Potsdams mitgemacht. Welchen Stellenwert hat dieses Finale in Getafe im Süden Madrids für Sie persönlich?

Das ist für mich wie für uns als Mannschaft und den gesamten Verein ein enorm wichtiges Spiel. Der Pokal wird erstmals in diesem neuen Wettbewerb vergeben und erstmals in nur einem Endspiel. Das ist schon etwas ganz Besonderes im Frauenfußball.

Ist es gut oder schlecht, dass nur noch ein Endspiel stattfindet?

Ich finde es gut, denn das macht die Sache reizvoller. Die UEFA macht hier meiner Meinung nach alles richtig. Man hat nicht noch ein Hintertürchen durch ein Rückspiel offen, sondern jetzt geht es in 90 Minuten um alles. Da geht man ganz anders ins Spiel, das sorgt schon für ein besonderes Feeling.

Was wissen Sie bisher über Ihren Endspielgegner Olympique Lyon?

Wir haben uns ein Video von Lyons Halbfinal-Rückspiel in Umea angeguckt und unsere eventuellen Gegenspieler ein bisschen studiert. Wir wissen schon, was uns erwartet.

Über das Wochenende hatten Sie trainingsfrei.

Was mal ganz gut tat. Wir haben in der vergangenen Woche zweimal am Tag trainiert, da war so eine Pause ganz schön.

Verspüren Sie schon ein gewisses Kribbeln?

Ich bin jetzt nicht hypernervös, aber das Endspiel warf natürlich hier in Potsdam bereits seine Schatten voraus. Wir haben schon mit den Champions-League-Bällen trainiert – was zeigte, dass der Countdown beginnt.

Wie finden Sie die neuen Bälle?

Unser eigentlicher Ausrüster ist Jako, von dem wir ansonsten auch die Bälle haben. Die für das Endspiel sind von Adidas, und individuell unterscheiden sich die Bälle doch ein bisschen. Der von Adidas ist außerdem weiß mit den roten Champions-League-Sternen drauf. Da kam schon eine gewisse Stimmung auf.

Wird gegen den französischen Meister ein Sieg möglich sein?

Eine Chance hat man immer. Wir haben in Getafe die einmalige Chance, der erste Champions-League-Sieger der Frauen zu werden. Das ist nochmal ein richtiges Highlight zum Abschluss dieser Saison, in der wir sehr viel gearbeitet haben. Wir sind wieder Deutscher Meister geworden und können und wollen uns nun am Donnerstag für unsere tägliche Arbeit noch mehr belohnen.

Zwei Tage später steht am Samstag in Madrid mit Bayern München ein weiterer Deutscher Meister ebenfalls im Champions-League-Endspiel der Männer. Wollen Sie dafür vorlegen?

Natürlich wollen wir das, und wir hoffen, dass dann auch die Bayern den Pokal holen. Aber letztlich können wir ihnen genauso wenig helfen wie sie uns. Wir müssen erstmal vor allem auf uns gucken. Was nach diesem Donnerstagabend geschieht, werden wir anschließend sehen. Ich werde mir wie der größte Teil der Mannschaft das Männer-Finale live im Bernabeu-Stadion anschauen.

Turbine wird als erneuter Deutscher Meister auch im nächsten Jahr in der Champions League antreten – unabhängig vom Ausgang des jetzigen Endspiels. Erleichtert das Turbines Aufgabe gegen Lyon?

Daran werden wir nicht denken, denn wir wollen am Donnerstagabend den Pokal in den Händen halten.

Welche Rolle fällt Ihnen als Mannschaftskapitän denn in dieser Partie zu, die vom Zweiten Deutschen Fernsehen live übertragen wird?

Ich will wie die ganze Mannschaft meine Aufgabe erfüllen und versuchen, den jüngeren Spielern beizustehen, falls sie etwas nervös werden sollten.

Sie tragen eine ganz schöne Verantwortung für eine 26-Jährige.

Aber ich allein kann ein Spiel nicht entscheiden, dazu brauchen wir eine gute Mannschaft, von der ich ein Teil bin. Und ich werde natürlich alles tun, um mich maßgeblich einzubringen, egal, wo ich spiele, damit wir als Champions-League- Sieger vom Platz gehen.

Hand aufs Herz: Haben Sie an eine solche Zukunft gedacht, als Sie 1999 von Post Rostock zu Turbine kamen?

Das ganze Thema Frauenfußball in Deutschland war mir in jener Zeit noch gar nicht so bewusst. Ich habe zwar mal zugeguckt, als Potsdam in der damals noch zweigeteilten Bundesliga in Rostock spielte und als EM-Spiele im Fernsehen übertragen wurden. Aber der Frauenfußball ist ja auch erst in den Jahren, in denen ich hier bei Turbine bin, so richtig gewachsen.

Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge in Potsdam?

Na klar. Ich war damals mit meinen Eltern zum Probetraining hier, war ziemlich aufgeregt ein bisschen erschrocken, wie groß Trainer Schröder war. Und beim ersten Torschusstraining flog mein Ball auch gleich in die Havel.

War Ihre Mutter damals eigentlich froh, dass Sie nach Potsdam gewechselt sind?

Nein, meine Mam war schon traurig, dass ich gegangen bin. Es ist ja für eine Mutter sicher nicht leicht, die Kinder loszulassen, wenn die groß werden und auf eigenen Beinen stehen wollen. Aber ich wollte den Schritt machen, weil ich mal was anderes als Rostock sehen wollte. Wobei ich am Anfang ganz schönes Heimweh hatte, denn ich bin quasi in kaltes Wasser gesprungen. Inzwischen kommt meine Mam oft zu unseren Heimspielen nach Potsdam, und durch Telefonate versuche ich den Kontakt weiter ganz eng zu halten.

Wird denn Ihre Mutter am Vorabend ihrer Hochzeit das Champions-League-Finale im Fernsehen gucken, statt Polterabend zu feiern?

Das hat sie mir fest versprochen. Ich weiß, dass sie in Gedanken dann bei mir sein und Turbine und mich anfeuern wird.

Das Interview führte Michael Meyer.

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