Landeshauptstadt: Chinesische Brücke am Teehaus
Dazu holte König Friedrich Entwürfe des englischen Stararchitekten William Chambers ein
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Bis zur Schlössernacht im August wird im Park Sanssouci die Brücke erneuert, die den Parkgraben in der Nähe des Chinesischen Teehauses überspannt. Sie wird sich wieder in jener schlichten Form zeigen, die ihr Hofbaurat Edmund Bohne 1907 verlieh und die als frühes Beispiel der Betonbauweise unter Denkmalschutz steht.
Schon 1763 wurde hier erstmals eine Brücke geschlagen. Um seine Gäste auch im Chinesischen Haus mit warmen Speisen bewirten zu können, hatte der im Frühjahr aus dem Siebenjährigen Krieg zurückgekehrte König Friedrich II. durch Büring „jenseits des Fontainengrabens“ ein Küchengebäude mit sechseckigen eingebogenen Fenstern, Pilastern aus gemalten Schlangen- und Blumenverzierungen und fünf Dachfiguren, deren Köpfe sich im Wind bewegten, erbauen lassen. Von dort wurde das Essen ins Teehaus getragen, und dazu war eine Brücke über den Parkgraben erforderlich. Ihr hatte der König allerdings ein wesentlich repräsentativeres Aussehen zugedacht als der heutige Bau bietet. In der Plankammer der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat sich dazu eine Zeichnung erhalten. Sie zeigt eine Brücke in „chinesischem Stil“. In der Mitte wird sie von einem tempelartigen Bauwerk überwölbt, dessen grünliches Dach mit Fischen und Arabesken geschmückt ist. Im Inneren hängen drei viereckige Lampions. An den Seiten wird die Brücke von jeweils zwei Pavillons begrenzt, auf denen Fahnen mit chinesischen Schriftzeichen flattern. In das Geländer sind kreisrunde und achteckige Öffnungen eingearbeitet.
Die Zeichnung, die nur einen Ausschnitt des Entwurfs wiedergibt, wurde in den 20er Jahren, als die Hohenzollernschlösser und -gärten zu Museen geworden waren, durch den Kunsthistoriker Hans Huth aufgefunden. Sie lag in einer der Kommoden, die Friedrich der Große in seiner Bibliothek im Neuen Palais für die Aufbewahrung von großformatigen Plänen und Stichwerken hatte anfertigen lassen. Huth konnte die Zeichnung William Chambers (1723 bis 1796) zuordnen. Im Hausarchiv der Hohenzollern fand er 1937 einen Brief, in dem der englische Hofarchitekt dem preußischen Gesandten in London, Abraham Louis Michel, den Erhalt von 15 Guineen „für drei Aufrisse und drei Grundrisse von Brücken à la Chinoise“ bestätigte. Als Jude aus Deutschland vertrieben, veröffentlichte Huth diesen Brief 1969 im kalifornischen Exil. Chambers gibt keinen Maßstab an, da er die beabsichtigte Größe der Brücke nicht kennt.
An die Forschungen von Hans Huth knüpft Klaus Dorst an, Kustos für Baudenkmalpflege in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Warum die Chinesische Brücke nicht gebaut wurde, bleibt offen. Jedenfalls hat Friedrich die Chamberschen Entwürfe auch 1767 und 1784 bei der Erneuerung von zwei Brücken im Rehgarten in Sandstein nicht genutzt. Warum hat er sich dann aber über seinen Gesandten Michel überhaupt an den englischen Stararchitekten gewandt? Der König wusste, was Chambers seinen Kollegen voraus hatte: Die kannten die chinesische Architektur nur von Abbildungen und Beschreibungen und entwickelten daraus ihre Entwürfe. Auch Johann Gottfried Büring baute 1754 bis 1757 in Sanssouci das Chinesische Haus nach einem Vorbild der französischen „Chinamode“. William Chambers aber hatte die Architektur des Reichs der Mitte während einer mehrjährigen Tätigkeit bei der Ostasiatischen Kompagnie im Original studiert. Er vermaß zahlreiche Bauwerke und fertigte Zeichnungen an. Wer heute die „verbotene Stadt“ in Peking besichtigt, entdeckt dort beispielsweise jene Lampions, wie sie Chambers in seinen Brückenentwürfen für Friedrich vorgeschlagen hatte. Der englische Hofarchitekt fasste die Ergebnisse seiner Recherchen in einem Stichwerk zusammen, das Ausgangspunkt für zahllose Parkbauten in Europa wurde. Und auch für Sanssouci. Chambers muss nämlich, wie Klaus Dorst erklärt, sein 1757 erschienenes Werk „Designs of Chinese Buildings, Furniture, Dresses, Machines und Utensils“ als Geschenk an König Friedrich überreicht haben. Selbst wenn es in den Inventaren der friderizianischen Bibliotheken nicht nachgewiesen werden konnte, der darin enthaltene Aufriss der Ta-Ho-Pagode in Kanton lieferte das Vorbild für das 1770 bis 1772 errichtete Drachenhaus. Die Beschäftigung mit der Chinoiserie relativiert übrigens die weit verbreitete Meinung, der Alte Fritz sei stockkonservativ und allem Neuen in Architektur und Kunst unzugänglich gewesen. Als um 1780 Bauten nach Chambers in Europa zum Renner wurden, stand das Drachenhaus schon ein Jahrzehnt.
Die chinesische Brücke am Teehaus allerdings blieb ein Luftschloss. Oder doch nicht ganz? Als sie unter König Friedrich Wilhelm II. 1788 erneuert wurde, griff Friedrichs Nachfolger auf Elemente der Tafel VII aus Chambers Stichwerk zurück, die einen Brückenpavillon mit korallengeschmückten Vasen zeigte. Er ließ ein Holztor errichten, in dem an Messingketten ein weiße Glaslaterne mit orange-gelber Quaste hing. Doch auch dieses Bauwerk ist längst Geschichte. Durch Lenné wurde es durch ein schlichtes Holzbrücklein ersetzt, durch Hofbaurat Bohne 1907 dann in Beton erneuert.
Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.
Erhart Hohenstein
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