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Landeshauptstadt: Chor der Abstinenten

40 Jahre Suchthilfe / Landestreffen in Potsdam

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Innenstadt – Die rund hundert Chorsänger gestern Nachmittag in der Nikolaikirche verband vor allem eines: Sie waren alkohol- oder medikamentensüchtig und leben heute abstinent. Deshalb wurde vorher zum Abendmahl auch Traubensaft statt Wein gereicht. Insgesamt besuchten zwischen 200 und 250 Menschen das Landestreffen des Suchtgefährdetendienstes in der Diakonie Berlin-Brandenburg e.V., schätzt Rosemarie Lieckfeldt, Vorstandsvorsitzende und Veranstalterin. Das seien 70 Prozent der Menschen, die das Angebot der Suchthilfe in Anspruch nehmen.

Seit 40 Jahren engagieren sich die Mitarbeiter der Suchthilfe für Suchtgefährdete und deren Angehörige im Land. 14 Gruppen gebe es derzeit in Brandenburg, so Lieckfeldt. In Selbsthilfegruppen, bei „Besinnungswochen“ und Wochenendfreizeiten soll den Kranken und deren Angehörigen geholfen werden. Seit Anfang der 90er Jahre bietet die Suchthilfe auch Schuldnerberatung an und organisiert ein Arbeitslosenfrühstück.

Begonnen hat das alles in Potsdam: An das erste Treffen erinnert sich Oswald Pregla, der Initiator, noch genau. Nur ein Rentnerehepaar kam im Oktober 1966 zu dem Pastor in die Gutenbergstraße 30. Pregla, der bereits vor seinem Theologiestudium ehrenamtlich in der Suchtarbeit tätig war, hatte ein Ziel: Einen evangelischen Suchtgefährdetendienst in Brandenburg aufzubauen. Noch im November 1966 konnte er den ersten Erfolg feiern, erzählt er. Eine alkoholabhängige Frau hörte mit dem Trinken auf. Später habe es 30 Selbsthilfegruppen in Brandenburg gegeben, so Pregla.

Bei der DDR-Regierung sei die Idee nicht gut angekommen, erinnert sich Rosemarie Lieckfeldt: „Selbsthilfegruppen gab es offiziell nicht“. Der Suchtgefährdetendienst habe deshalb einfach „Bibelstunden“ angeboten. „Es war mir klar, dass in jeder Gruppe ein Stasi-Mitarbeiter war“, meint Pregla heute lakonisch.

Seit 1992 trifft sich die Potsdamer Gruppe in der Lindenstraße 56. Zur wöchentlichen Sitzung am Dienstag kommen zur Zeit etwa 20 Leute, sagt Gruppenleiter Wolfgang Lieckfeldt. Der 73-jährige Pregla ist mittlerweile pensioniert. Wie viele Menschen er vor dem Alkohol gerettet hat, könne er nicht sagen. Für sein Engagement in der Suchthilfe wurde er im März 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. JaHa

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