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ENERGIE AUS ERDGAS OHNE CO2: Cracken fürs Klima

Wissenschaftler des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS haben zusammen mit Kollegen vom Karlsruher KIT ein Verfahren entwickelt, um aus Erdgas Energie ohne CO2-Emissionen zu gewinnen. Die Methode sei eine Option für den Umbau des Energiesystems

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Potsdam - Eine bahnbrechende Entwicklung ist Forschern des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gelungen. Seit mehreren Jahren hatten sie an einem Verfahren gearbeitet, mit dem das zu großen Teilen aus Methan bestehende Erdgas zur klimafreundlichen Energiegewinnung einsetzt werden kann. Entscheidender Schritt dabei: Das Methan wird nicht wie bisher einfach verbrannt, wobei klimaschädliches Kohlendioxid entsteht, sondern es wird in seine Bestandteile Wasserstoff und Kohlenstoff aufgespalten. Der Wasserstoff kann dann zur Stromgewinnung in Brennstoffzellen und der Kohlenstoff in der Industrie genutzt werden – ohne dass dabei CO2 in die Atmosphäre gelangt.

Die Idee für das Forschungsprojekt kam aus Potsdam

Nach zwei Jahren Forschungsarbeit konnte das Team um IASS-Gründungsdirektor Carlo Rubbia nun die prinzipielle Machbarkeit des neuen Verfahrens nachweisen. Der Versuchsreaktor arbeite zuverlässig und kontinuierlich, so die IASS-Forscher. „Unsere Versuchsergebnisse und alle ökologischen und wirtschaftlichen Analysen zeigen, dass das Cracken von Methan eine mögliche Option für den Umbau unseres Energiesystems ist“, sagte der Nobelpreisträger Carlo Rubbia zu der neuen Methode. „Das Verfahren könnte die Rolle einer Brückentechnologie übernehmen“, so Rubbia, der das Kooperationsprojekt initiiert hat. Mit der Methode ließe sich das Energiepotenzial von Erdgas nutzen, gleichzeitig würde das Klima geschützt und die Einbindung eines sauberen Energieträgers wie Wasserstoff in das Energiesystem erleichtert. Bei der herkömmlichen Wasserstoff-Gewinnung aus Methan werden beträchtliche Mengen an CO2 frei. Prognosen gehen davon aus, dass die weltweite Produktion von Erdgas in den nächsten Jahrzehnten trotz Klimaschutz stark ansteigen wird. Vor diesem Hintergrund hatten die IASS- Forscher nach einer Erdgas-Nutzung gesucht, die mit dem Klimaschutz in Einklang zu bringen ist.

In dem Verfahren wird das Methan (CH4) in seine molekularen Komponenten Wasserstoff (H2) und Kohlenstoff (C) aufgetrennt. Diese als „Cracken“ bezeichnete Reaktion erfolgt bei Temperaturen deutlich über 750 Grad Celsius, schädliche Emissionen würden keine entstehen. Wasserstoff verfügt über eine hohe Energiedichte, bei seiner Verbrennung entstehen lediglich harmloser Wasserdampf und minimale Mengen Stickoxid. Wasserstoff gilt als wichtige Komponente eines zukünftigen nachhaltigen Energiesystems. Zwei japanische Hersteller haben mittlerweile Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb in Serie gebracht. Ein anderer Aspekt von Wasserstoff ist die Erzeugung von Nutzstrom mit dem gleichen Verfahren. Bislang war allerdings ein Manko der Brennstoffzelle, dass bei der Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas das Treibhausgas CO2 entsteht. Das soll mit dem neuartigen Cracking-Prozess vermieden werden.

Es entsteht Wasserstoff und Kohlenstoff

Neben dem Wasserstoff entsteht beim Methan-Cracken fester, schwarzer Kohlenstoff. Auch dieser kann genutzt werden. Die Bedeutung von Kohlenstoff als industrieller Rohstoff nimmt stetig zu, so die Forscher. Der durch das neue Verfahren entstehende Kohlenstoff verfüge über eine hohe Qualität und Reinheit. Er hat die Form eines Pulvers. „Sein Wert als vermarktungsfähiges Produkt trägt zusätzlich zur wirtschaftlichen Machbarkeit des Methan-Crackens bei“, erklären die Wissenschaftler. Auch könnte der Kohlenstoff gelagert werden, was leichter, sicherer und kostengünstiger sei, als beispielsweise Kohlendioxid mit dem CCS-Verfahren unterirdisch zu speichern.

Bislang scheiterte das Methan-Cracken an der Funktionalität der Anlagen. Ausgangspunkt des neuen Verfahrens war ein Vorschlag von Carlo Rubbia: ein auf Flüssigmetalltechnologie basierender neuer Reaktor. Dabei werden kleine Methanbläschen von unten in eine mit geschmolzenem Zinn gefüllte Säule gegeben. Während ihres Aufsteigens im flüssigen Metall findet die Cracking-Reaktion statt. Der Kohlenstoff wird abgeschieden und am oberen Ende des Reaktors als Pulver abgesetzt, während der Wasserstoff als Gas entsteht. In der letzten Versuchsphase lief der neue Reaktor zwei Wochen lang ohne Unterbrechung. Verstopfungen – das Problem bisheriger Anlagen – traten nicht auf, da das Kohlenstoffpulver leicht abzutrennen sei. Die Anlage erzeugte Wasserstoff mit einer Umwandlungsrate von bis zu 78 Prozent bei Temperaturen von 1200 Grad Celsius. „Dieser kontinuierliche Betrieb ist entscheidend für einen zukünftigen industriell einsetzbaren Reaktor“, erklärt Thomas Wetzel vom KIT.

Die Energie für das Verfahren stammt aus dem gewonnenen Wasserstoff 

Die IASS-Forscher haben auch die wirtschaftlichen Aspekte des Methan-Crackens untersucht. Vorläufige Berechnungen zeigen, dass bei den gegenwärtigen Erdgaspreisen in Deutschland Kosten in Höhe von knapp zwei bis drei Euro pro Kilogramm Wasserstoff entstehen würden, ohne dass dabei der mögliche Marktwert des Kohlenstoffs einberechnet wurde. Ein wichtiger Aspekt des Verfahrens ist auch, dass die für das Cracken bei hohen Temperaturen nötige Energie durch einen Teil des produzierten Wasserstoffs selbst gedeckt werden kann. Eine IASS-Untersuchung hat zudem ergeben, dass das Cracken von Methan mit der herkömmlichen Wasserelektrolyse vergleichbar und über 50 Prozent sauberer als das herkömmliche Dampf-Methan-Reformierung-Verfahren sei.

Die beiden beteiligten Forschungseinrichtungen wollen nun den Reaktor und insbesondere den Prozess zur Kohlenstoffabtrennung weiter optimieren, um die Leistung der Methode zu erhöhen.

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