Günther Oettinger am Hasso-Plattner-Institut: Cyberkriminelle im Visier
Das Hasso-Plattner-Institut erforscht frühzeitiges Erkennen von Hacker-Angriffen und ehrt EU-Kommissar Günther Oettinger.
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Griebnitzsee - Eine Neuigkeit muss EU-Digitalkommissar Günther Oettinger am Montagnachmittag beim Besuch des Hasso-Plattner-Instituts besonders gefreut haben: Das Uni-Institut für Softwaresystemtechnik erforscht derzeit erfolgreich eine neue Technologie, mit der Hackerangriffe frühzeitig erkannt – und dadurch schneller bekämpft – werden können.
Nach den jüngsten Hacker-Angriffen auf das Computersystem des Bundestages ist das laufende Forschungsprojekt über die „Echtzeit-Erkennung von Angriffen aus dem Internet“ aktueller denn je. Auch der frühere baden-württembergische Ministerpräsident, der am HPI einen engagierten Vortrag über die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hielt, mahnte europäische Standards für Datensicherheit an.
Das HPI-Projekt arbeitet mit den realen Daten von „drei bis vier Unternehmen weltweit“, wie der Doktorand David Jaeger den PNN sagte. „Wir sind mit einigen Unternehmen im Testbetrieb“, so der IT-Spezialist – er wollte aber nicht verraten, um welche es sich handelt. Kern des Projekts sind die sogenannten Logs, die Aktivitätsprotokolle in den firmeninternen Computernetzwerken, die nicht nur gesammelt, sondern in kürzester Zeit ausgewertet werden. Versucht etwa ein Hacker auf der Internet-Seite eines Unternehmens mehrfach, einen Account zu knacken, erkennt die neue Technologie dies als Methode – und schlägt sofort Alarm.
„Jedes größere Unternehmen ab etwa 20 Rechnern hat zwar in den vergangenen Jahren angefangen zu loggen und die Aktivitäten auf E-Mail-, Datei- und Web-Servern zu sammeln“, erklärt David Jaeger. Allerdings war die anfallende Datenmenge bislang so groß, dass erst Tage später ein Hacker-Angriff erkannt und nachvollzogen werden konnte. Das neue System dagegen führe das Datenmaterial nicht mehr auf der Festplatte, sondern auf dem schnelleren Hauptspeicher zusammen. Hier könne es in Windeseile auf die meist mehrstufig stattfindenden Angriffe hin untersucht werden oder auf bestimmte, sich wiederholende Muster – beispielsweise eine E-Mail, die Hacker bevorzugt an hochrangige Unternehmensmitarbeiter schicken, um von da aus weiter in die Software und zu geheimen Dokumenten vorzudringen. „Ziel unseres Systems ist, in Realzeit zu erkennen, wer gerade angreift und wo“, erzählt der 28-Jährige, der nach seinen Forschungen am HPI in Sicherheits-Unternehmen arbeiten möchte.
Oettinger, der anlässlich seines Besuchs von HPI-Direktor Christoph Meinel mit einer Medaille als HPI-Fellow ausgezeichnet wurde, forderte in seinem Vortrag, die Relevanz der digitalen Revolution für das alltägliche Leben der Menschen nicht zu unterschätzen. Diese dringe in alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft ein. Angesichts eines jährlichen Zuwachses von 160 000 IT-Spezialisten auf dem europäischen Arbeitsmarkt gebe es hierzulande zu wenig IT-Studienplätze – und folglich zu wenig Spezialisten. „Die Aufträge gehen nach Indien, Asien und in die USA.“ Allerdings zeigten auch die Studienanfänger häufig wenig Interesse an Computerstudiengängen. „Es darf doch nicht wahr sein, dass Acht- bis 18-Jährige sich täglich vier Stunden lang in den sozialen Medien aufhalten, diese aber nicht zu ihrem Berufsziel machen“, sagte er. Dabei werde die digitale Revolution als die schnellste in der Geschichte der Technik „vor Ende des Jahrzehnts darüber entschieden haben, wer Gewinner ist und wer Verlierer“.
Um mit der digitalen Überlegenheit anderer Länder Schritt zu halten, müssten in Europa nationale, regionale und lokale Strategien gefunden und Hürden überwunden werden. „Wir brauchen eine Europäische Datenschutz-Grundverordnung“, forderte der EU–Kommissar. Nach wie vor müssten sich europäische Unternehmen zu sehr mit den unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen herumschlagen.
Wichtig sei auch eine bessere digitale Infrastruktur. „Lieber Schlaglöcher als Funklöcher“, spitzte Oettinger vor Wissenschaftlern und Studierenden sein Plädoyer für die digitale Welt zu: „Wenn ich von Brüssel nach Stuttgart fahre, sind die Funklöcher noch dieselben wie vor 30 Jahren.“ Hierzulande ärgere sich die Öffentlichkeit immer noch mehr über Staus als über die langsame Datenübertragung.
Der EU-Kommissar hatte das HPI bereits 2009 besucht. Die Ehrung als Fellow wurde bereits elf prominenten Persönlichkeiten wie Angela Merkel, den brandenburgischen Ex-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck sowie den beiden „Vätern“ des Internets, den IT-Pionieren Bob Kahn und Vint Cerf, zuteil.
Isabel Fannrich-Lautenschläger
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