Landeshauptstadt: Da war es nur noch einer
Fischer Mario Weber sorgt jetzt allein für Silvesterkarpfen, Fische gibt’s genug
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Fünf engagierte Fischer gründeten zu DDR-Zeiten im Potsdamer Stadtgebiet eine Genossenschaft, nach der Wende waren es dann nur noch zwei, die den Betrieb in der Großen Fischerstraße fortsetzten und nun hat sich auch Fischer Thomas Winkler von seinem Beruf verabschiedet und nur noch Kompagnon Mario Weber führt das Gewerbe fort. Einem reichhaltigen Angebot an Silvesterkarpfen tut das jedoch keinen Abbruch.
Die dreijährigen Tiere bringen ein Gewicht von einem bis drei Kilo auf die Waage. Seit Oktober tummeln sie sich in Netzen, die in die Havel versenkt wurden und von Tag zu Tag werden es weniger. So mancher ist schon als Weihnachtskarpfen im Topf gelandet. Die noch vorhandenen geben Silvesterkarpfen ab. Aber auch danach seien die Restbestände durchaus noch gefragt, meint Weber. Die Traditionen hätten sich verschoben, Karpfen würden nicht mehr nur zu Silvester gegessen, sagt er. Und so will er 2006 versuchen, sie sogar zu Ostern anzubieten. Die Sitte, eine Schuppe ins Portmonee zu tun, damit sich der Geldsegen möglichst lange darin hält, ist natürlich nicht ausgestorben. Doch die Fische haben kaum noch Schuppen. Die sind schon seit Jahren zurückgezüchtet worden. Nur am Rücken und an den Flossen haben sich noch ein paar Glücksbringer erhalten. Weber hat keine Bange, dass er die von ihm bei Oberlausitzer Zuchtbetrieben eingekauften Fische nicht los wird.
Aber auch ein anderer Edelfisch ist sehr beliebt: Zander. Im Moment sei Zanderzeit. Diesen Fisch holt Weber direkt aus der Havel. Er darf zwischen Kladow und Brandenburg seine Netze auswerfen und vermarktet vor allem den genannten Edelfisch und Aale. Weißfische wie Bleie oder Plötzen, die ins Netz gehen, muss er ebenfalls „verarbeiten“, damit der Fischbestand im Gleichgewicht bleibt. Sie taugen aber höchstens als Schweinefutter und bringen nichts ein.
Während die Silvesterkarpfen im Netz sicher und kundenfreundlich untergebracht sind – dass das Wasser einfriert, muss Weber bei der Havel-Strömung nicht befürchten – wird den anderen Fischen mit Stellnetzen aufgelauert. Noch in der Dunkelheit geht es in der Winterzeit los. Er fahre so zwischen sieben und acht Uhr hinaus und kontrolliere, was sich in den Netzen verfangen hat, leere sie und setze sie um. Mittag müsse er wieder zurück sein, um den Laden zu öffnen. In der Großen Fischerstraße direkt hinter dem restaurierten Stück Stadtmauer kann man in Webers Geschäft von Montag bis Donnerstag zwischen 12 und 16 Uhr einkaufen, am Freitag von 11 bis 17 Uhr. Die Wochenenden hält sich der Fischer frei, um langwierige Arbeiten zu erledigen. Bis zum Frühsommer sollen zum Beispiel Parkplätze auf dem eigenen Grundstück geschaffen werden. Abnehmer des frischen Fischs sind vor allem Privatkunden, einige Restaurants und das letzte Fischfachgeschäft in Bornstedt. So ganz allein fühlt sich aber offenbar auch ein Fischer nicht wohl. Patrick Cieciorra, der bei Weber & Winkler schon einige Praktika gemacht hat und sich für den Fischerberuf interessiert, wird 2006 eine Lehre bei Weber beginnen.
Dass es mit dem Ausbau der Stadtkanals weitergehen soll, freut Weber, denn das ziehe sicher mehr Besucher in seine Ecke. Vor den Bauarbeiten hat er jedoch erst einmal Angst. Als die Stadtmauer restauriert worden sei, habe ihn das von seinen Kunden sehr unangenehm abgetrennt. Natürlich gehört zum Angebot von Potsdams einzigen Fischer im alten Stadtgebiet auch Räucherware, sogar mit einem Imbissangebot hat es das Fischerduo schon versucht. Das habe sich aber nicht rentiert. „Vielleicht versuche ich es später noch mal“, sagt Weber etwas vage.
Um zum Silvesterkarpfen zurückzukehren: Der Fischer kann sich daran selbst nicht sattessen. Fisch komme bei ihm regelmäßig auf den Tisch, gekocht oder gebruzzelt von Mutter Weber.
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