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Landeshauptstadt: Dank Kita aus der Arbeitslosigkeit

Potsdamer Träger stellt seit zwei Jahren arbeitslose Mütter als Betreuerinnen an. Mit erstaunlichen Effekten

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Waldstadt - Giorgos Papadopoulos hat ein Problem. Die Mütter rennen ihm weg. „Ein positives Problem“, wie er sagt. Der geborene Grieche ist Chef einer Kita in der Potsdamer Plattensiedlung Waldstadt. In einem in dieser Form einzigartigen Projekt ersetzt der Träger, die Potsdamer Betreuungshilfe, seit zwei Jahren Erzieherinnen durch arbeitslose Mütter. Betreuende Mütter werden diese dann genannt – unter Anleitung einer professionellen Sozialpädagogin passen vier bis fünf Frauen im Wechsel auf ein Dutzend Kleinkinder auf.

Doch lange bleiben die Hilfs-Pädagoginnen nicht. Nicht etwa, weil der Stress-Faktor zu groß ist. Rund 60 junge Mütter haben Papadopoulos zufolge die Spielgruppe durchlaufen. Jede Zweite von ihnen fand nach rund einem halben Jahr aus der Arbeitslosigkeit heraus. „Dass das Ding so abgeht, damit hätte ich nie gerechnet“, sagt Papadopoulos, der nach seinem Studium in Deutschland hängen geblieben ist. Manche finden einen Job, manche machen ihr Abitur oder den Realschulabschluss nach, erklärt der 46-Jährige. Nach zwei Jahren kann das für Papadopoulos kein Zufall mehr sein, sondern so etwas wie Statistik.

Die Gründe für „die positive Fluktuation“ liegen für den diplomierten Psychologen klar auf der Hand: Frauen, „die zu Hause versauern würden“, finden in der Spielgruppe nicht nur eine zuverlässige Betreuung für ihre Kleinen, sagt Papadopoulos. Sie haben außerdem Anschluss zu Menschen, bei denen sich die Probleme und Bedürfnisse ähneln. Denn nicht nur bei der Kinderbetreuung wechseln sich die Mütter ab. Sie motivieren sich gegenseitig und helfen sich zum Beispiel im Streit mit Ämtern, sagt Papadopoulos.

Überhaupt möglich geworden ist das Projekt erst seit der Novellierung des Kita-Gesetzes vor zwei Jahren, als alternative Betreuungsformen zugelassen wurden, erklärt Potsdams Jugendamtsleiter Norbert Schweers. Um die Akzeptanz, die die Spielgruppe jetzt genießt, mussten die Initiatoren allerdings erst kämpfen. Kritiker in der Fachhochschule Potsdam, so Schweers, stempelten das Konzept als Billig-Kita ab, weil die Mütter lediglich eine Aufwands-Entschädigung bekommen und nicht erzieherisch ausgebildet sind. Außerdem sahen viele die Qualität der Betreuung gefährdet.

Ein unter Soziologen anerkannter Testvergleich, der über ein halbes Jahr ging, hat die Kritiker schließlich verstummen lassen. In punkto Sprache und Motorik, so das Ergebnis, waren die Kinder aus der Spielgruppe mit den Gleichaltrigen der benachbarten Kita auf einer Stufe. Papadopoulos würde das Modell gerne länger testen. Ihm schwebt eine Langzeitstudie zusammen mit einer Hochschule vor, in der die Biografien der Mütter und der Kinder beobachtet werden. Dann könnte sich auch die Nachhaltigkeit zeigen, wie Papadopoulos findet. Ein anderes Metier des freien Trägers ist nämlich Einzelfallhilfe für rund 60 Familien im Umkreis. Das seien meist Eltern, die ihre Lethargie der Langzeit-Arbeitslosigkeit direkt aufs Kind übertragen. „Wenn wir da früh genug anpacken“, glaubt Papadopoulos, „geht diese Zahl auch nach unten.“

Andreas Wilhelm

Andreas Wilhelm

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