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Von Guido Berg: Darauf ein Glas Sekt

Wie Finanzminister Helmuth Markov (Linke) vorn Bürgernähe aufbaut – und hinten wieder einreißt

Stand:

Innenstadt - Die Bürger haben demonstriert, nun versuchen Politiker, Bürgernähe zu demonstrieren. Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) hat aus diesem Anlass zwei Gläser Sekt vorbereiten lassen, die seine Pressesprecherin schon mal mit vor Kälte zitternden Händen bereithält. Markov will vor geladenen Pressevertretern einen blauen Container an den Stadtschlossverein übergeben. Schließlich hat dieser seine Räume im Alten Rathaus räumen müssen, weil es saniert wird. In der „Blue Box“ auf dem Alten Markt, wie Markov den Container später nennen wird, kann der Verein fortan über seine Arbeit informieren und Spenden für die Dachfiguren des Stadtschlosses sammeln. Vereinschef Michael Schöne wundert sich noch, dass die Bürgerinitiative Mitteschön nicht dazu geladen wurde. Da aber kommt schon der Finanzminister mit frohem Gesicht und einem riesigen, in Folie verpackten Blumenpott auf ihn zu. Unter der Folie prangt ein vielleicht dreißig Zentimeter langer Schlüssel, vermutlich aus Pappe gebastelt und mit Silberpapier umwickelt. Symbolik ist alles in der Politik. Die Assoziation, dass vor 1989 auf dieser sehr illustrativen Weise sicher dutzende Pionierhäuser an ihre Nutzer übergeben wurden, wäre völlig abwegig – wenn Markov nicht schon beim ersten Spatenstich für den neuen Landtag ein Pionierlied hätte anstimmen lassen: „Heut ist ein wunderschöner Tag, die Sonne lacht uns so hell“

Dann klirren die Sektgläser, blitzen die Fotoapparate und Michael Schöne scheint nicht unfroh. Was da auch immer war, an Differenzen, an atmosphärischen Störungen zwischen Politik und Potsdamer Bürger, all das kann Vergangenheit sein. An ihm solle es nicht liegen. „Wir wollen Spenden sammeln und es dem Land zum Geschenk machen.“

Ein Geschenk machen will auch Erik von Grawert-May. Am Rande der BlueBox-Übergabe erklärt er, er wolle bis zu 50 000 Euro spenden für die Installation eines Glockenspiels in das Fortunaportal. Der Kunsthistoriker Hans-Joachim Kuke bestätigt, das auf Originalzeichnungen des Architekten Jean de Bodt aus den Jahren 1699/1700 ein Spiel mit zwei Glocken zu finden sind. Es gebe keinen direkten Beweis, aber viele Indizien dafür, dass es das Glockenspiel des Fortunaportals tatsächlich einmal gab, zwischen 1700 bis etwa 1740, eine Zeit „weit vor der Erfindung der Fotografie“. Der Spendenwillige erklärt sein Engagement mit seiner „Vorliebe für Schlösser“; er habe sich auch schon für das Senftenberger Schloss eingesetzt.

Weil es kalt ist und es sich im Warmen besser unterhalten lässt, bittet Markov in die rote Info-Box, die Schaustelle. Am Rande, im Rücken der meisten Journalisten, erklärt Pressesprecherin Mattern dem völlig verdutzten Hans-Peter Brüggen vom Vorstand des Stadtschlossvereins, dass sein Erscheinen wie auch das von Michael Schöne in der roten Box „eigentlich nicht vorgesehen“ war. Es sei gar nicht geplant, „dass sie noch dabei sind“.

Schöne und Brüggen verlassen daraufhin die Schaustelle. „Schön fand ich das nicht“, erklärt Schöne später, aber er sei „nicht beleidigt“. Als er vor 17 Jahren den Stadtschlossverein mitbegründete, habe Markov von dem Projekt noch nicht einmal gehört. Markov, darauf angesprochen, wie das zusammenpasst, erst Sekt miteinander trinken, dann hinauskomplimentieren, erklärte den Journalisten ernsthaft: „Ich habe gar nicht getrunken, ich habe das Sektglas nur gehalten“. In diesem Punkt unterscheidet sich Markov klar von seinem Amtsvorgänger Rainer Speer (SPD), der die Freilegung der Fliesen des alten Schlossweinkellers noch zünftig mit einem Glas guten Rotweins feierte. Die Übergabe der blauen Box und die Pressekonferenz in der roten seien „zwei verschiedene Sachen“, versucht Markov die Situation zu erklären.

Beim Rundgang über die Landtagsbaustelle mischt sich auch Erik von Grawert-May unter die Journaille. Er hat mal für den Tagesspiegel geschrieben, sagt er später, was Markovs Pressesprecherin Ingrid Mattern sicher hätte gelten lassen. Sie drängt zur Eile und führt die Presse zur Musterfassade. Die Erklärungen dazu hätten die Bürger Schöne und Brüggen sicher auch gern gehört. Denn dass sie aus Cottaer Sandstein gebaut wird, wie einst bei Knobelsdorff, haben sie mit vielen anderen überhaupt erst erkämpft.

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