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Ab durch die Gärten. Der Weg zur Uni führte damals durch Kleingärten.

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Homepage: Das Abizeugnis blieb an der Hochschule

Zur Immatrikulation 1958 mussten die Dokumente abgegeben, die Eltern mitgebracht und Bärte abrasiert werden. Von Josef Drabek

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Josef Drabek, 1939 in Böhmen geboren, studierte von 1958 bis 1962 an der Pädagogischen Hochschule Potsdam, dem Vorläufer der heutigen Potsdamer Universität. Das Studium schloss er als Fachlehrer für Deutsch und Geschichte ab. Derzeit schreibt Drabek seine Erinnerungen „Von Böhmen nach Brandenburg. Wege zwischen Weltkrieg und Wende“ auf, deren erster und zweiter Teil vorliegt. Der dritte Teil zu Brandenburg beginnt mit der Studienzeit, Auszüge daraus erscheinen in den kommenden Monaten in den PNN.

Nach dem Studentenheim-Frühstück machte ich mich auf den Weg zur Hochschule. Und zwar zu Fuß, weil die Eltern mein Fahrrad erst noch zum Bahnhof Wildpark schicken mussten. Ohne oder mit Rad blieb der Weg vier Jahre lang der gleiche: Parallel zur Forststraße ging es durch die ab den 1920er-Jahren entstandene Kleingartenkolonie. In den Schrebergärten wurde umfänglicher und intensiver als heute Obst und Gemüse angebaut, und mancher Hobbygärtner hielt sogar Kaninchen und Hühner. Einer ließ per Aushang wissen, dass er Legeprodukte seines Federviehs auch verkaufe. Angesichts des namentlich unterzeichneten Angebots prägte sich mir ein werbewirksamer Slogan ein: „Der kluge Mann kauft Tag für Tag frische Eier bei Hermann Schlag“. Und schlagartig wurden wir seine, wenn auch nur gelegentlichen, Kunden.

Nach Durchqueren des Gartengewirrs und Unterqueren der Bahnhofsbrücke ging es auf der Allee Am Neuen Palais, die den Park von Sanssouci westlich begrenzt, zum Gelände der Pädagogischen Hochschule. Diese war 1951 aus der Brandenburgischen Landeshochschule (BLH) hervorgegangen und bestand aus zwei Fakultäten mit Sitz in den Communs: der mathematisch-naturwissenschaftlichen im vorderen und der historisch-philologischen im hinteren Institutsgebäude. Letzterer gehörte ich vier Jahre lang an.

Auf der anderen Straßenseite befand sich das Hauptgebäude der Hochschule mit dem Auditorium maximum, dessen Deckenträger aus Görings Jagdschloss Karinhall stammten, Seminarräumen und Vorlesungssälen, darunter dem Hörsaal II, wo die Immatrikulation stattfand. Dank brauchbarer Lateinkenntnisse wusste ich, dass dies lediglich eine organisatorische Angelegenheit ist, bei der man sich in die Liste der Studienanfänger einschreibt, also in eine Matrikel.

Während dieses Prozederes glich der Hörsaal einer Meldestelle. Hinter einer Tischfront saßen Angestellte, die die angeforderten Unterlagen abnahmen: den Zulassungsbescheid, das Original-Reifezeugnis und den Sozialversicherungsausweis. Während ich Letzteren bald zurückbekam, blieb das Zeugnis für die Zeit des Studiums bei der Hochschule. Mir ist nicht bekannt, dass dies an universitären Einrichtungen traditionell üblich war. Wahrscheinlich sollte dadurch republikflüchtigen Studenten die Studienaufnahme in der BRD erschwert werden. Allein im Vorfeld des 13. August 1961 verließen 14 Studierende die Hochschule. Danach musste eine Verpflichtung unterschrieben und die polizeiliche Anmeldung am Studienort sowie die Eintragung ins Hausbuch geregelt werden.

Abschließend warben Lehrkräfte im Stile einer Bildungsmesse für die Teilnahme an fakultativen Kursen in Englisch, Französisch und Latein. Leider habe ich davon keinen Gebrauch gemacht, weil das eigentliche Studium umfangreich genug erschien. Als Letzte bemühten sich Mitarbeiter, neue Studenten für sportliche und kulturelle Betätigungen zu gewinnen: die Hochschulsportgemeinschaft (HSG), die „Arbeitsgruppe Brecht“ und das Kulturensemble. Auch hierbei habe ich eine Chance vertan, denn in dessen Chor wäre ich wahrscheinlich willkommen gewesen.

Am Ausgang wurde daran erinnert, nicht mehr wegzufahren, obwohl das Studienjahr erst vier Tage später begann, weil die FDJ-Hochschulgruppenleitung Veranstaltungen mit den neuen Studenten durchführt. Was da gemacht wurde, weiß ich nicht mehr, nutzte aber die Zeit, mich mit der Hochschule vertraut zu machen. So schrieb ich von Aushängen ab, wo und wann welche Lehrveranstaltungen stattfinden. Außerdem konnte ich meine Eltern zu der von Rektor Günter Scheele geleiteten Versammlung begleiten, wo Mütter und Väter Fragen zum Studium stellten. Eine betraf einen Geografiestudenten, der durch seinen rotblonden Bart auffiel, was manchem missfiel. Im Ergebnis gab es eine Aussprache mit dem jungen Mann, wonach dieser den „unstudentischen“ Gesichtsschmuck abnehmen musste und der Grund für seinen Spitznamen „Jesus“ entfiel.

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