Landeshauptstadt: Das Bildnis der Petrissa
Numismatiker Hans-Dieter Dannenberg auf den Spuren des Münzforschers Julius Lange
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Beim Pflügen eines brachliegenden Ackers auf dem Michendorfer Wolkenberg fand ein Knecht im September 1880 nach „Zerstörung eines irdenen Gefäßes in Form einer Urne“ einige dünne Metallscheibchen. Sie erschienen ihm wertlos und er warf sie in die Furche zurück. Als weitsichtiger erwies sich die Dienstmagd, die nebenher lief und das Unkraut von dem umgepflügten Feldstück räumen sollte. Das Mädchen las einige Münzen auf und brachte sie ihrer Dienstherrin, der „Frau Oberamtmann Grosse“. Die benachrichtigte den Potsdamer Münzkenner Julius Gustav Lange, der den Fund in Augenschein nahm und Nachgrabungen veranlasste. Es handelte sich um einen Schatz aus Denaren, mittelalterlichen Silberpfennigen.
Lange rettete und sicherte damit einen der bedeutendsten Münzfunde, der jemals im Land Brandenburg gemacht wurde. Unter den etwa 2000 Münzen aus den Jahren 1140 bis 1170 befanden sich Prägungen von Albrecht dem Bären und dem zum Christentum übergetretenen letzten Wendenfürsten Pribislaw-Heinrich. Dies stützte die These, dass es im 12. Jahrhundert in Brandenburg einen weitgehend friedlichen Machtübergang von der slawischen zur deutschen Herrschaft gab. Als Sensation wurde der Fund von Denaren mit dem Bildnis von Pribislaws Gemahlin Petrissa gewertet. Dadurch gelang der Nachweis, dass die Fürstin keine Sagengestalt, sondern eine historische Person war. Die Münzen zeigen sie mit langen, herabhängenden Zöpfen.
Julius Lange trug auch zur Bergung und Beschreibung zahlreicher anderer Münzschätze wesentlich bei. Als er 1905 im Alter von 90. Jahren starb, schrieb die „Brandenburgia“: „Potsdam verliert in ihm eine originelle und volkstümliche Persönlichkeit“. Der Potsdamer Numismatiker Dr. Hans-Dieter Dannenberg hat nun den 100. Todestag zum Anlass genommen, um dem Leben und Wirken des Münzforschers nachzugehen. Die Ergebnisse seiner Recherchen hat er jetzt in Heft 14/06 der „Beiträge zur brandenburgisch-preußischen Numismatik“ veröffentlicht.
Julius Lange (1815 bis 1905) war nicht wissenschaftlich ausgebildet, sondern als Schlächtermeister tätig. Die Fleischerei befand sich bis 1870 in der Brandenburger Straße 29 (neben Kaiser“s), einem der unter König Friedrich Wilhelm I. erbauten barocken Typenhäuser. Es war nach den von Dannenberg im Landeshauptarchiv recherchierten Akten 1810 von Johann Friedrich Lange dem Schlächtermeister August John abgekauft worden. Der Kaufpreis betrug „900 Thaler in preußischem Courant nach dem Münzfuß de 1764“. Die Familie Lange stammte aus Sachsen und war wohl um 1730, zurzeit des Soldatenkönigs, nach Potsdam gezogen. Die Langes müssen kräftige, hoch gewachsene Menschen gewesen sein, denn Julius leistete ab 1835 seinen Militärdienst als „ein Gardemann an Größe“ als Freiwilliger im vornehmen Ersten Garderegiment zu Fuß. Um 1842 übernahm er dann die väterliche Fleischerei. Sie vertrug sich durchaus mit seinem Hobby, denn beim Vieheinkauf in umliegenden Dörfern und auf dem Wochenmarkt erfuhr Lange oft als erster von Münzfunden.
Die Schlächterei muss ordentlich etwas eingebracht haben, denn schon als 55-Jähriger geht Julius Lange als wohlhabender Mann in den „Vorruhestand“. Er kauft das Haus Breite Straße 4, wo er ab 1870 wohnt, und die Mammonstraße 10, wohin er in den 1890er Jahren umzieht. Als „Rentier“ hat er ausgiebig Zeit, sich seinen anspruchsvollen Hobbys zu widmen. Dazu zählt nicht nur die Numismatik, sondern auch die Stadtgeschichte. Lange, von dem sich leider kein Bildnis erhalten hat, war Mitglied im Verein für die Geschichte Potsdams und hielt dort Vorträge unter anderem über den Kaufmann und Wohltäter der Stadt August Friedrich Eisenhart, die Amts-Meyerei und die Mühlen um Potsdam. Ansehen erwarb sich Julius Lange auch, weil er die Wissenschaft unterstützte und „von seinen numismatischen Schätzen vieles an die öffentlichen Museen verschenkt oder doch unter billigen Bedingungen vertauscht“ hat, wie es im erwähnten Nachruf heißt. Außerdem geht Hans-Dieter Dannenberg davon aus, dass er „manche Fundmünzen gleich an die fachlich besser befähigten oder ausgerüsteten Numismatiker weitergeleitet hat“. Auch das heutige Potsdam-Museum besitzt einige Stücke aus den Sammlungen.
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