
© M. Thomas
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Das Studentenfilmfest „EigenRegie“ im Thalia-Kino widmet sich der Generation Praktikum
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Abitur, Studium, gut bezahlte Festanstellung? Dieser makellose berufliche Lebenslauf ist für junge Hochschulabsolventen längst nicht mehr die Regel. Die viel beschriebene „Generation Praktikum“ hangelt sich nach ihrem Abschluss von einer befristeten Anstellung zur nächsten, übernimmt schlecht bezahlte Jobs und überbrückt Lücken im Lebenslauf mit Praktika, für die es oft überhaupt kein Geld gibt. Vor allem Kultur- und Sozialwissenschaftler finden sich nach dem Studienabschluss oft in prekären Arbeitsverhältnissen wieder. Wie geht es den jungen Menschen damit, welche Wünsche und Träume haben sie, wie sehen ihre zwischenmenschlichen Beziehungen aus, wie gestalten sie ihre Freizeit? Diesen Fragen widmet sich das Filmfest „EigenRegie“, das vom 7. bis 9. September im Thalia Filmtheater Babelsberg stattfindet.
„Ich will mein Leben zurück“ – so das Motto des dreitägigen Filmfestivals, das vier Studentinnen des Studiengangs Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam initiiert haben und das unter anderem von der Brandenburgischen Landeszentrale für Politische Bildung gefördert wird. „Wir wollen einen Anstoß dazu geben, dass die Lebensumstände unserer Generation auch auf einer breiteren Ebene publik werden“, sagt Stephanie Urgast. Sie und ihre drei Kommilitoninnen wissen aus eigener Erfahrung was es heißt, unbezahlte Praktika, Traineestellen, wechselnde Jobs und befristete Arbeitsverhältnisse in der Hoffnung auf eine angemessen bezahlte Stelle in Kauf zu nehmen. Sie wissen, sie haben viel mehr Möglichkeiten als ihre Eltern, aber auch weit weniger soziale Sicherheiten als diese. Bereits mit Mitte zwanzig blicken sie auf brüchige Ausbildungs- und Erwerbsbiografien zurück – und stehen damit stellvertretend für viele andere ihres Alters. „Wenn ich Freunde und Bekannte anschaue, ist das bei vielen ähnlich“, sagt Friederike von Leoprechting. Ängste, mangelndes Selbstwertgefühl, gesundheitliche Probleme – mit den Folgen der beruflichen Unsicherheiten haben nicht wenige der heute Zwanzig- bis Dreißigjährigen zu kämpfen. „Es muss die Möglichkeit geben, darüber zu sprechen“, so Stephanie Urgast. Inzwischen sind sich die vier Studentinnen einig: Eine unbezahlte Praktikantenstelle würde keine von ihnen wieder annehmen. „Auf gar keinen Fall“, betont Marie-Louise Jones. Auch Anna Maier nickt: „Jeder Arbeitgeber weiß eigentlich, dass ein unbezahltes Praktikum nicht geht, trotzdem ist es allgemein üblich.“ Stephanie Urgast ergänzt: „Meine Arbeit ist etwas wert, und dafür möchte ich auch entlohnt werden.“
Mit dem EigenRegie-Filmfest wollen die vier jungen Frauen das Kino in einen Ort verwandeln, an dem geschaut, diskutiert und sich vernetzt wird. Es sollen neue Impulse gesetzt und ein gegenseitiger Austausch ermöglicht werden. Auf dem Programm stehen bekannte und weniger bekannte Filme und Dokumentationen, wie etwa der Spielfilm „Drei“ von Regisseur Tom Tykwer. Die Geschichten der Protagonisten erzählen von der Suche nach dem richtigen Job, dem richtigen Partner, dem Sinn des Lebens, von Statusängsten und dem Ende der Jugend. Ebenso setzten sich die Beiträge des bundesweiten Kurzfilmwettbewerbs mit der Lebenswelt der Generation Praktikum auseinander und zeigen Visionen eines selbstbestimmten Lebens. Das Publikum darf entscheiden, welcher der etwa zehn Kurzfilme am meisten überzeugt.
Neben den filmischen Beiträgen wird es auf dem Festival Podiumsdiskussionen und eine Lesung mit der Autorin und Journalistin Katja Kullmann geben, die in ihrem jüngst erschienenen Buch „Echtleben“ von ihren persönlichen Erfahrungen in der Kreativbranche berichtet und dabei auch die Schattenseiten nicht auslässt. Zudem stellen sich während des Filmfests Initiativen und Vereine vor, wie der Berliner „fairwork e.V.“, der die Interessen von Hochschulabsolventen vertritt und über die Rechte von Praktikanten aufklärt. Heike Kampe
Start ist am 7. September um 16 Uhr im Thalia-Kino. Das Filmfest im Internet: www.eigenregie-filmfest.de
Heike Kampe
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