Von Erhart Hohenstein: Das gestohlene Christusbild
Grit Jehmlich und Oliver Wenske restaurieren den fast 300 Jahre alten Golmer Barockaltar
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Golm - Den barocken Altar für die alte Dorfkirche in Golm hat 1718 König Friedrich Wilhelm I. gestiftet. Dies verrät eine Inschrift. Stadtkonservator Andreas Kalesse nennt das Kunstwerk „ein wichtiges Zeugnis der Volksfrömmigkeit“, des örtlichen Handwerks und der Zuwendung des Landesherren, das unbedingt erhalten bleiben sollte. Deshalb wird der hölzerne Altaraufsatz nun durch die Kirchengemeinde mit Unterstützung der Stadtdenkmalpflege restauriert.
Diese Arbeiten wurden Grit Jehmlich und Oliver Wenske übertragen. Die Potsdamer Restauratoren haben alle Teile des mit geschnitzter Bekrönung, Seitenwangen und Säulen geschmückten Aufsatzes zunächst in einer Gesamtkonservierung vor weiterem Verfall geschützt. Dabei stellten sie fest, dass er stark von holzschädigenden Insekten befallen ist. Um sie abzutöten, musste der Aufsatz ins Landesdenkmalamt nach Wünsdorf gebracht werden. Dort wurde er in einer speziellen Anlage vier Wochen lang mit Stickstoffgas behandelt. Kurz vor Weihnachten ist er von den Restauratoren in ihre Potsdamer Werkstatt zurückgeholt worden.
Weitere Untersuchungen zum Zustand des Holzes, zum Charakter der Farben, deren Schichtenaufbau und zu späteren Übermalungen schließen sich an. Dafür können neben herkömmlichen Probenahmen modernste naturwissenschaftliche Methoden wie Ultraviolettlicht, die Gaschromatie und die Spektralanalyse genutzt werden. Eine Multispektralkamera ermöglicht die Untersuchung des Holzes ganz ohne Probenahme. Die in Golm angesiedelten Universitätsinstitute für Chemie und für Geowissenschaften haben dafür ihre Hilfe angeboten.
Erst nach Abschluss der Untersuchungen können Grit Jehmlich und Oliver Wenske auf der Grundlage eines mit allen Beteiligten abgestimmten Konzepts die eigentliche Restaurierung vornehmen. Stadtkonservator Kalesse regte an, sie in der neben dem alten Kirchlein 1883 bis 1886 errichteten Kaiser-Friedrich-Kirche unter den Augen der Öffentlichkeit auszuführen. Wieder hergestellt werden soll dann auch wieder die barocke Farbigkeit in Blau, Rot und Gold, die durch Übermalungen im 19. Jahrhundert verloren gegangen ist.
Doch mit der Restaurierung des Aufsatzes ist es nicht getan. Ihm fehlt das Altarbild, das in der Wendezeit 1989/90 gestohlen worden war. Der früher bei der DEFA tätige Kunstmaler Hans Schneider entdeckte den Diebstahl bei einer Bestattung, denn das alte Kirchlein wurde damals noch als Begräbniskapelle genutzt. Der Verbleib des ein mal 0,80 Meter großen Gemäldes konnte nicht geklärt werden; daraufhin malte Schneider als Ersatz nach einem Original des niederländischen Renaissancemalers Hans Memling (1440-1494) die „Beweinung Christi“ nach der Abnahme vom Kreuz. Mit der Restaurierung soll aber auch das Altarbild wieder die ursprüngliche Darstellung zeigen. Dazu wurde von der Stadtdenkmalpflege eine Abbildung aus ihrem Archiv zur Verfügung gestellt. Sie zeigt Christus am Kreuz mit nach oben gereckten Armen.
Für eine Erneuerung des Bildes dürfte die Schwarz-Weiß-Vorlage aber nicht ausreichen. Die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Barbara Buller, bittet deshalb alteingesessene Golmer, nach weiteren Fotos des Altarbildes zu suchen. Es könnte auf Aufnahmen zu sehen sein, die bei Beisetzungen vom in der Begräbniskapelle aufgestellten Sarg gemacht wurden, oder auch in heimatkundlichen Broschüren. Ein Glückstreffer wäre, würde das Original, das von geringem finanziellen Wert ist, auf einem Dachboden oder in einem Schuppen wieder aufgefunden.
Die alte Golmer Kirche wird bereits im 13. Jahrhundert erwähnt. 1286 übertrug Propst Nikolaus von Spandau deren Einkünfte dem Spandauer Benediktinerinnenkloster. Ganz so alt ist das erhalten gebliebene Gemäuer nicht, doch das Mauerwerk zweier Nischen hinter dem Altar wird als spätgotisch eingeschätzt, das wäre dann 15. Jahrhundert. Der Fachwerkturm wurde in den 1730er Jahren hinzugefügt. Die Kirchengemeinde und ihr Bauverein haben sich die Erhaltung des Baudenkmals, des ältesten Gebäudes in Potsdam, zum Ziel gesetzt. Mit ersten Sanierungsmaßnahmen wurde im Jahr 2006 begonnen. Zunächst habe jedoch die durch den späteren Kaiser Friedrich III. errichtete neue Kirche Vorrang, erklärte Rainer Höfgen als Vorsitzender des Kirchbauvereins. Sie braucht ein neues Dach.
Erhart Hohenstein
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