Aus dem GERICHTSSAAL: Das Haar in der Akte
Frei laufender Hund brachte Radfahrer zu Fall
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Der Staatsanwalt zieht genervt einen DNA-Test des folienverpackten Corpus Delicti in der Akte in Erwägung. „Ziemlich lang für ein Hundehaar“, gibt Richterin Monika Holk zu bedenken. Die Angeklagte triumphiert: „Das ist ein Menschenhaar.“ „Möglicherweise sogar Ihres“, kontert der Staatsanwalt. „Aus dem Schneider wären Sie dann übrigens nicht.“ Doch Angelika A.* (52) – beschuldigt der fahrlässigen Körperverletzung sowie der Unfallflucht – ist sich sicher: „Dieses Haar stammt keineswegs von meinem Hund Paulchen*. Und von mir ist es auch nicht.“ Im Übrigen habe es den angeklagten Sachverhalt nie gegeben.
Das sieht Egon E.* (77) ganz anders. „Angelika A. ist eindeutig die Person, die mir am 4. Mai vorigen Jahres in Groß Glienicke auf einem Fahrrad und mit zwei unangeleinten Hunden entgegen kam“ , berichtet der Pensionär. Einer der Vierbeiner sei ihm ins Vorderrad seines Velozipeds gesprungen, wodurch er zu Fall gekommen sei. „Ich habe mir den Ellenbogen und das Knie aufgeschlagen. Meine Hose war auch kaputt.“ Zuerst habe die Angeklagte ihm geholfen, ein Taschentuch um seinen blutenden Arm zu schlingen. Als er sie nach seinen Personalien fragte, sei sie allerdings schnurstracks von dannen gebraust. „Da mein Rad noch einigermaßen intakt war, verfolgte ich sie“, so Egon E. Nachdem die Frau in einem Haus verschwunden sei, habe er die Polizei gerufen. Die traf die Angeklagte auf besagtem Grundstück mit Freunden beim Grillen. Die Beamten konfrontierten sie mit dem Tatvorwurf, fotografierten den verdächtigten Hund und sicherten ein Haar vom Zweirad des Rentners.
„Mein Paulchen und der Hund meiner Nachbarin, den ich oft ausführe, sind immer angeleint“, versichert Angelika A. An jenem Tag sei sie zwar mit beiden Tieren auf dem ehemaligen Grenzstreifen unterwegs gewesen, dem vermeintlichen Opfer allerdings nicht begegnet. „Ich habe den Herrn heute vor der Verhandlung zum ersten Mal gesehen“, beteuert die Angeklagte.
„Der Geschädigte beschrieb die Tatverdächtige und den Hund sehr präzise“, berichtet der zu Hilfe gerufene Polizist im Zeugenstand. Als er an der genannten Adresse klingelte, habe erst niemand geöffnet. Später habe die Angeklagte behauptet, sie sei an diesem Nachmittag nicht mit den Tieren draußen gewesen. „Nachbarn bestätigten uns allerdings, dass sie mit den Hunden spazieren war.“
Der Staatsanwalt regt ein Rechtsgespräch an. Die Zuhörer werden ausgeschlossen. Als sich die Tür des Verhandlungssaals wieder öffnet, verkündet die Vorsitzende: „Das Verfahren wird gegen eine Geldbuße von 400 Euro eingestellt.“ Diese Summe soll der Welthungerhilfe zugute kommen. (*Namen geändert.) Hoga
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