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Handwerkskammer Potsdam: Das Handwerk boomt, investiert aber nicht
Den meisten Handwerksbetrieben in Potsdam geht es derzeit gut. Vor allem die Baubranche verzeichnet im Konjunktur-Barometer Spitzenwerte. Allerdings läuft nicht alles rund.
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Potsdam - Rosige Zeiten für Handwerker in Potsdam und Umgebung: Laut der aktuellen Konjunktur-Umfrage der Handwerkskammer Potsdam (HWK) geht es den meisten Betrieben hervorragend. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, die Umsätze steigen. 94,7 Prozent der Befragten beurteilten die Geschäftslage als gut oder befriedigend – der bislang höchste Wert, der bei der Konjunktur-Umfrage ermittelt wurde und eine Steigerung um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Von den rund 3500 Betrieben des Kammerbezirks beteiligten sich allerdings nur knapp 15 Prozent an der Umfrage, die zweimal im Jahr von der HWK durchgeführt wird.
Ähnlich gute Zahlen zeigen sich bei den Umsätzen: Sie sind bei 25 Prozent der Befragten gestiegen, knapp ein Drittel der Befragten meldeten zudem vermehrte Aufträge. Knapp die Hälfte der Betriebe konnte ihre Kapazitäten voll auslasten, die durchschnittliche Auslastung aller Betriebe liegt bei 87 Prozent. „Das Bau- und Ausbaugewerbe gehört hier zu den Zugpferden“, sagt HWK-Präsident Robert Wüst. „Energetische Sanierung bleibt dabei ein Schwerpunkt der Aufträge, aber auch die Badsanierung, die zunehmend unter dem Gesichtspunkt des altersgerechten Bauens stattfindet.“ Grund für die gute Lage seien zum einen die dauerhaft niedrigen Zinsen, Geld wird ausgegeben statt gespart. „Auf der anderen Seite müssen 26 Jahre nach der Wende viele Häuser neu saniert werden“, sagt Ralph Bührig, Hauptgeschäftsführer der HWK. Hinzu komme die sehr geringe Arbeitslosenquote in der Region – wer Arbeit hat, gebe auch Geld aus.
Wenn investiert werde, würden meist alte Maschinen ersetzt
Erstaunlich ist jedoch, dass angesichts voller Auftragsbücher, steigender Umsätze und niedriger Zinsen nur sehr wenige Betriebe etwas von ihrem Einnahmen investieren: Laut Umfrage haben 72 Prozent der Befragten im abgelaufenen Quartal keinerlei Investitionen getätigt. Dieser Trend hält seit zwei Jahren an, so Bührig, der für diese „Investitionsmüdigkeit“ allerdings keine Erklärung hat. Wenn investiert werde, würden meist alte Maschinen ersetzt.
Wenn Einnahmen nicht für Investitionen genutzt werden, kann man ja auch die Löhne erhöhen. Danach hatte die Kammer jedoch nicht gefragt. Dabei wären gestiegene Löhne vielleicht ein Mittel, um die nach wie vor händeringend gesuchten Fachkräfte ins Handwerk zu locken: Rund 400 Ausbildungsplätze im Kammerbezirk Potsdam waren Anfang Oktober noch unbesetzt. Und es mangelt nicht nur an Azubis: „Es fehlen auch Gesellen oder Meister für die Betriebsnachfolge“, sagt Bührig. Dennoch ist die HWK optimistisch, denn laut Umfrage hat in den letzten drei Monaten jeder fünfte Betrieb zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, vor allem im Kraftfahrzeughandwerk sowie im Nahrungsmittel- und Gesundheitsbereich. Demgegenüber stehen sieben Prozent der Betriebe, die Personal verloren haben.
Davon betroffen waren besonders die personenbezogenen Dienstleistungen, zu denen etwa Friseure, Pfleger oder Ärzte gehören. Dieser Bereich gab bei der Umfrage mit die negativsten Werte an: Als einzige Branche verzeichneten die personenbezogenen Dienstleistungen sinkende Umsätze und eine Verschlechterung der Auftragslage. Die Zufriedenheit mit der Geschäftslage liegt hier nur bei 82 Prozent.
Von Erhöhung der Strompreise wären Handwerksbäcker besonders betroffen
Befragt wurden die Handwerker auch zu ihren Erwartungen für die kommenden Monate: 68 Prozent rechnen damit, dass ihre Umsätze stabil bleiben, 20 Prozent erwarten sogar Steigerungen. Und das, obwohl ab Januar Strom teurer wird: Die EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) steigt von 6,35 Cent pro Kilowattstunde auf 6,88 Cent. „Das wird eine außerordentliche Belastung für die Betriebe, vor allem für solche mit hohem Energiebedarf, wie Bäckereien“, sagt Bührig. Diese Branche habe es aufgrund der Konkurrenz der vielen Backshops ohnehin schwer. Bühring plädiert daher dafür, dass Handwerksbäcker von der Erhöhung der Strompreise ausgenommen werden. Eine solche Befreiung gebe es bereits für industrielle Großbäckereien, es sei nur gerecht, wenn auch kleinere Bäcker von ihr profitieren würden.
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