Landeshauptstadt: Das Harmonium des Märtyrers
Potsdam sichert sich Vorkaufsrecht für Nachlass von Hitler-Gegner Karl Heinrich Schäfer
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Karl Heinrich Schäfer zählt für ihn zu den „Märtyrern im Bistum Berlin-Brandenburg“. Doch nun solle sein Nachlass „Stück für Stück“ verkauft werden und Kristian Ebner von Eschenbach setzt sich vehement dafür ein, dass dies nicht geschieht. Schäfer, ein Potsdamer Kirchenhistoriker, eckte mit dem Naziregime an. Am 14. Oktober 1942 wurde er verhaftet und wegen „planmäßiger organisierter Zersetzungsarbeit“ zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Doch dabei blieb es nicht, der Katholik kam anschließend ins Konzentrationslager Sachsenhausen, wo er am 29. Januar 1945 an den Folgen der Haft- und KZ-Strapazen starb. „Schäfer ist eine der wenigen katholischen Leuchtgestalten der 30iger Jahre“, betont Ebner von Eschenbach. Aber nicht nur wegen seiner „antifaschistischen Haltung“ setzt er sich für den Erhalt des Schäferschen Nachlasses ein. Die Hinterlassenschaft selbst ist für ihn von enormer Bedeutung. Sie besteht aus einer 150-Quadratmeter-Wohnung im Haus Meistersingerstraße 1, auch die „Lützelburg“ genannt. Um 1900 gebaut, habe sie sich bis 2006 so gut wie nicht verändert; ihr Inventar ist „eines der letzten Beispiele bürgerlichen Lebens in Potsdam“, so Ebner von Eschenbach. Da aber Schäfers Tochter Renate Schäfer nun aus der Wohnung ausgezogen ist, kommt der Nachlass unter den Hammer. Ihn für die Allgemeinheit zu retten sieht der Antiquar „die Stadt Potsdam in der Pflicht“.
Im Potsdam-Museum und im Fachbereich Kultur und Museum erklang diese Mahnung nicht ungehört. Mehr noch, den Potsdamer Musealen ist Karl Heinrich Schäfer kein Unbekannter, einst zeigten sie im Alten Rathaus eine beeindruckende Ausstellung zum Leben und Sterben des Hauslehrers von Flugpionier Werner Alfred und späteren Archivars am Potsdamer Reichsarchiv auf dem Brauhausberg. Wie Fachbereichsleiterin Birgit-Katharine Seemann informierte, gab es einen amtsgerichtlichen Beschluss, wonach das Inventar der Wohnung verkauft werden und der Erlös dem Petrus-Werk der katholischen Kirche zugute kommen soll. Das Potsdam-Museum reagierte umgehend, es sicherte sich in Verhandlungen mit der Nachlassverwalterin das Vorkaufsrecht für wesentliche und bedeutsame Teile der wertvollen Wohnungseinrichtung. „Das Museum hat verhindert, dass das Inventar auseinander gerissen wird“, erklärte die Kulturamtsleiterin. Seine historische Wirkung könne die Einrichtung nur im Ensemble erzielen. Museumschef Hannes Wittenberg erweckt denn auch nicht den Eindruck, als müsse er erst zur Intervention motiviert werden. Der „wirklich großartige Haushalt“ Karl Heinrich Schäfers lasse „einem den Atem stocken“. Jede Technisierung sei daran vorbei gegangen. Mit dem, was das Potsdam-Museum erwerben will, könne das Leben in einer großbürgerlichen Potsdamer Wohnung dargestellt werden. Wittenberg nennt als Beispiel das Speisezimmer, zu dem ein Harmonium und ein 90-teiliges Silberbesteck gehört. Weiterhin könnten Teile des Musikzimmers gekauft werden. „Das ist uns zugesichert“, so Wittenberg, der berichtet, dass sich die Antiquitätenhändler am Nachlass Schäfers geradezu „die Klinke in die Hand geben“. Er erklärt, dass sich das Potsdam-Museum auch Fotografien des „wichtigen Potsdamers im Widerstand gegen Hitler“ sichern konnte.
Bleibt die Frage der Finanzierung. Das Museum selbst verfügt über so gut wie keinen Ankaufsfonds. Dazu Birgit-Katharine Seemann: „Wir müssen versuchen, das Geld zusammen zu bekommen.“ Über den genauen Verkaufspreis werde noch verhandelt, die Nachlassverwalterin sei bereit, nicht den vollen Marktwert des Wohnungsinventars zu verlangen. Doch die Zeit drängt, „bis zum 1. Oktober muss es klar sein“. Der Förderverein des Potsdam-Museums hat laut seines Vorsitzenden Markus Wicke bereits mit dem Sammeln von Spenden für den Ankauf des Nachlasses des Kirchen- und Regionalhistorikers begonnen. Schäfer zähle „zu den herausragenden historischen Persönlichkeiten der Landeshauptstadt, deren Andenken es zu bewahren gilt“.
Schäfer selber hätte sich seinen Wohnluxus nicht leisten könne. Doch seine Frau entstammt laut Ebner von Eschenbach einer wohlhabenden Luxemburger Industriellenfamilie. Im Musikzimmer der Schäfers standen zwei Flügel, sie liebten Hausmusik, so der Antiquar. Dass der Haushalt die DDR-Zeit überstand, lag am ODF-Status Schäfers als „Opfer des Faschismus“. Ansonsten wäre die Wohnung – wie in vielen anderen Beispielen – geteilt worden. Ebner von Eschenbach: „Ein Musiksalon, das galt dem Wohnungsamt als geradezu elitär.“
Der Förderverein ruft alle Potsdamerinnen und Potsdamer auf, das Potsdam-Museum beim Erwerb des Schäferschen Nachlasses finanziell zu unterstützen. Das Spendenkonto lautet: Förderverein des Potsdam-Museums e.V.; Mittelbrandenburgische Sparkasse, BLZ 160 500 00, Kto.-Nr. 350 301 65 96, Stichwort: Schäfer
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