Homepage: „Das hatte ich mir hier nicht vorstellen können“
Johannes Vielhaber über seine gescheiterte Wiederwahl als Rektor der Fachhochschule Potsdam und seine Zukunft in der Forschung im Massivbau
Stand:
Herr Vielhaber, was bedeutet Ihnen freie Zeit?
Sie ist mir sehr wichtig. Es geht mir dabei weniger um Freizeit an sich als darum, über Zeit frei verfügen zu können und nicht in Dinge eingebunden zu sein, denen man nicht entkommen kann. Das war auch ein Grund dafür, dass ich als Professor an eine Hochschule gegangen bin. Ich wollte weitgehend selbstbestimmt arbeiten können. Zeit frei kombinieren und gestalten zu können ist etwas, das in Verbindung mit einer Professur optimal zu koordinieren ist. Das bedeutet auch eine volle Arbeitswoche, aber in anderen Zwängen.
Insofern freuen Sie sich sicherlich schon auf 2013, wenn Sie nicht mehr Präsident der Fachhochschule Potsdam sein werden.
Das mache ich in der Tat. Ich werde in meine Professur für konstruktiven Ingenieurbau zurückgehen. Ich werde mit einem Forschungsjahr ohne Lehrverpflichtung beginnen. Das macht Sinn, denn nach meiner Zeit als Dekan, Prorektor und Präsident bin ich zehn Jahre aus der intensiven Forschung und Lehre raus. Da muss man sich erst einmal wieder auf den aktuellen Stand bringen.
Was erwartet Sie?
Als Bauingenieur mit Schwerpunkt Massivbau befasse ich mich vor allem mit Konstruktionen aus Stahl- und Spannbeton sowie Brückenbau. In unserem Labor für Konstruktiven Ingenieurbau werde ich mich unter anderem mit der Frage beschäftigen, warum Konstruktionen halten, die rechnerisch längst eingestürzt sein müssten. In einem anderen Forschungsvorhaben geht es um Glas als tragendes Element. Wir bauen gerade ein Brücke aus Glas. Wenn Hochschullehrer in ein Labor kommen, fangen sie wieder an zu spielen. Die Klötzchen sind ein bisschen größer, die Lasten ein bisschen höher. Es macht schon Spaß, allein dabei zuzuschauen, wie etwas kaputtgeht. Und nur so finden wir heraus, warum eine Konstruktion hält. Wer verstehen will, warum ein Bau trägt, muss wissen, wie er im Grenzfall versagt. Wenn ich solche Projekte mit der Lehre zusammenbringen kann, dann weiß ich wieder, warum ich einst von der Bauwirtschaft an eine Hochschule gewechselt bin.
Ich sehe Sie mit einem lachenden Auge aus der Amtszeit gehen. Gibt es auch die ein oder andere Träne?
Nein, die gibt es nicht. Einzig die Art und Weise, wie das Wahlverfahren abgelaufen ist, hinterlässt einen schlechten Nachgeschmack. Das war nicht in Ordnung.
Sie waren bei der Wahl zum Präsidenten im ersten Wahlgang völlig unerwartet durchgefallen. Haben Sie den Schock überwunden?
Der Schock hielt sich einigermaßen in Grenzen. Der Ärger über die Art und Weise, wie die Sache ablief, aber nicht. Das hatte ich mir an dieser Hochschule nicht vorstellen können. Ich hatte vorher gesagt, dass mein Lebensglück nicht an der Fortführung des Präsidentenamtes hängt.
Sie meinen, dass man Sie um eine Kandidatur gebeten hatte, um Sie dann durchfallen zum lassen?
Dazu will ich nichts weiter sagen.
Haben Sie das Gefühl, in der Amtszeit etwas falsch gemacht zu haben?
Es gibt immer Dinge, die man anders hätte machen können. Ich tendiere auch nicht dazu, Vorgänge bis zur Entscheidungsunfähigkeit zu diskutieren. Es muss auch weitergehen. Man muss sich auch an bestimmte Vereinbarungen halten. Wenn ein Beschluss gefällt wurde, dann muss der auch umgesetzt werden.
Sie gelten als Mann der Entscheidungen.
Es gibt bestimmte Entscheidungen, die nicht im Konsens getroffen werden müssen, weil das einfach nicht möglich ist. Manchmal muss ein Weg gefunden werden, der für die Hochschule der richtige ist und nicht für den Einzelnen.
Ihnen wurde auch mangelhafte Kommunikationskultur an der Hochschule vorgeworfen.
Wenn sich einzelne Personen nicht ausreichend eingebunden gefühlt haben, dann muss ich das so akzeptieren. Aber neben dem Bereitstellen von Information gibt es auch die Notwendigkeit, diese abzurufen. Schwierig ist, wenn man nach einer Entscheidung, wenn Diskussionsprozesse beendet sind, die Dinge immer wieder aufrollen will. Wenn man im Vorfeld nicht bereit war zu diskutieren, dann muss man mit dem Ergebnis auch leben.
Es heißt, Sie standen mehr für die technischen Fächer vom Bauwesen bis Design, ihr Nachfolger, Eckehard Binas, hingegen mehr für die weichen Fächer wie Sozialwesen, Informationswissenschaft und Kulturarbeit. Die Rede war von einer Richtungsentscheidung.
Das ist eine sehr einseitige Sicht, die würde die Hochschule in ihrer Breite auch nicht teilen.
Gab es Konflikte zwischen diesen Ebenen?
Ich habe zumindest keine wahrgenommen. Natürlich gibt es an einer Hochschule immer Konflikte. Dass eine Hochschule gleichartig tickt und in allen Facetten die gleichen Positionen vertritt, dass kann man in der Vielfalt, die wir bieten müssen, nicht erwarten.
Wäre eine weitere Amtszeit nicht das I-Tüpfelchen auf Ihrer FH-Karriere gewesen?
Die Medaille hat zwei Seiten. Rückblickend haben wir in den vergangenen sechs Jahren viel erreicht. Zum Beginn meiner Amtszeit stand die Frage der interdisziplinären Zusammenarbeit, die gerade für die FHP äußerst wichtig ist, nicht im Fokus. Dass es gelungen ist, dies zu verändern, ist eine große Errungenschaft. Die Idee der Forschungsprofessuren, die nun ins Hochschulgesetz aufgenommen sind und bundesweit Vorbildcharakter haben, diese Idee kam aus unserer Hochschule. Dann haben wir ein Innovationskolleg zustande gebracht, in dem Professoren aus fünf Fachbereichen zum Stadtklima Potsdam zusammenarbeiten. Auch haben wir über den Wettbewerb exzellente Lehre und Interdisziplinarität ins Studium eingebracht.
Aber?
Es hätte mir nun große Freude bereitet, in einer zweiten Amtszeit zu erleben, wie die angeschobenen Dinge ins Laufen kommen. Um zu schauen, was man eigentlich angerichtet hat. Das hätte mir schon Spaß gemacht.
Was hat Ihnen die Zeit als Hochschulchef gebracht?
Zu allererst Einblicke in andere Fachbereiche und Studiengänge. Ich durfte erleben, wie andere Professoren und Studierende ticken. Das war eine großartige Erfahrung.
Was war die schönste Begebenheit in dieser Zeit?
Das war im Juni dieses Jahres, als der mit Spannung erwartete Bericht der Hochschulstrukturkommission auf dem Tisch lag und deutlich wurde, dass die Potsdamer FH als eine der besten aus dieser Evaluation hervorgegangen ist. Auch unser Erfolg im Wettbewerb für exzellente Lehre war ein solch positives Ereignis. Das hat unserer Hochschule einen deutlichen Schub nach vorne gegeben.
Und die misslichste Angelegenheit?
Eines meiner wichtigsten Ziele war, dass bis zum Ende meiner sechsjährigen Amtszeit alle Fachbereiche der FH hier auf dem Campus Pappelallee vereint sind. Die Politik hatte bereits verkündet, dass wir den zweiten Anbau erhalten, mit dem wir nun im nächsten Sommersemester komplett hier gewesen wären. Doch die neue rot-rote Regierung hat diese Entscheidung wieder zurückgenommen. Das war schwierig. Mittlerweile besteht aber kein Zweifel mehr daran, dass die FH diesen Platzbedarf mindestens noch hat. Ich gehe davon aus, dass der Planungsauftrag spätestens im Januar rausgeht. Damit würden wir zum Sommersemester 2016 komplett hier sein. Bis 2018 müssen wir die Friedrich-Ebert-Straße verlassen haben. Alle Vorarbeiten dafür sind getätigt. Und ich bin sicher, dass auch das Stadtschloss nun den nötigen Druck in die Entwicklung bringen wird.
Der Anbau würde zum Vermächtnis Ihrer Amtszeit.
Ob ein Bau ein Vermächtnis ist, weiß ich nicht. Zumindest haben sich die Anstrengungen gelohnt: Aus der Idee wird Realität.
Wo sehen Sie die Potsdamer FH in zehn Jahren?
Als eine Hochschule mit 4500 Studierenden – im Gegensatz zu 3300 heute. Wir sind jetzt im Wintersemester die einzige Fachhochschule mit Zuwachs an Studierenden in Brandenburg. Die Frage ist nun, in welche Richtung sie sich entwickeln soll. Ich denke, die Strukturkommission hat recht mit ihrer Einschätzung, dass Studienplatzkapazitäten insbesondere an den FHs noch aufgebaut werden sollten. Potsdam hat als Standort im Unterschied zu vielen anderen Orten die Chance, weiter zu wachsen. Die Stadt ist einfach gut, die Lage stimmt und die Atmosphäre auch. Mit dem Spektrum der FH kann man etwas anfangen. Daher wäre ein weiterer Ausbau nötig. Bis dahin sollte auch die Interdisziplinarität zwischen den Studiengängen ausgebaut sein. Und in den grundständigen Studiengängen sollte stärker geforscht werden.
Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren?
Im aktiven Ruhestand. Hier im näheren Umkreis, ich bleibe in der Region. Eine Alternative dazu wäre für mich, zurück ins Sauerland zu gehen, wo ich herkomme. Die Karibik kommt gut ohne mich aus.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
Johannes Vielhaber, geb. 1955 in Sundern-Recklinghausen, war seit 2007 Rektor der Fachhochschule Potsdam. Seine Amtszeit endet Ende 2012.
Vielhaber studierte von 1973 bis 1980 Konstruktiven Ingenieurbau an der Technischen Universität Berlin. 1988 wurde er über „Vorspannung ohne Verbund im Segmentbrückenbau“ promoviert.
Seit 1996 ist Vielhaber Professor für Planung und Konstruktion und Massivbau an der Fachhochschule.
Vielhaber erhielt bei der Wahl zum Rektor am 11. Juli 2012 vier Stimmen, eine Stimme war ungültig. Sein Herausforderer Eckehard Binas wurde vom Senat der Hochschule mit sechs Stimmen im ersten Wahlgang gewählt. PNN
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