Landeshauptstadt: Das Haus des Grauens
Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße zeigt eine alte Ausstellung und bereitet die neue vor
Stand:
Nauener Vorstadt - Das graue Gemäuer in der Leistikowstraße am Neuen Garten hebt sich drastisch von den renovierten Bauten der Nachbarschaft ab. „Jeder, der hierher kommt, wird von der Grausamkeit des Ortes berührt oder er müsste schon sehr hartleibig sein“, sagt Edgar von Radetzky, der die dunklen Kellerverliese des ehemaligen KGB-Untersuchungsgefängnisses zum ersten Mal 1994 sah. Unter diesem bedrückenden Eindruck sei er zu „Memorial Deutschland“ gestoßen. Heute ist er einer der drei Vorsitzenden der Opferorganisation, die im Jahre 1988 im damaligen Lenigrad gegründet wurde.
„Memorial“ betrachtet die Gedenkstätte Leistikowstraße als ihr Objekt. Hier haben Historiker nach der Wende die Ausstellung „Von Potsdam nach Workuta“ erarbeitet und gezeigt. Ihr Abbau 2006 führte zu Kontroversen mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und der Gedenkstättenleiterin Ines Reich. „Die Konflikte sind nicht vergessen, aber wir müssen in die Zukunft sehen, schließlich geht es um die Sache“, sagt Radetzky. Er war am Samstag in die Leistikowstraße gekommen, um zusammen mit Reich die virtuelle Präsentation der Ausstellung „Von Potsdam nach Workuta“ zu eröffnen. Neben Infos zur Geschichte des Hauses und des sowjetischen Geheimdienstes stellt sie auf einem kleinen Bildschirm 60 Häftlingsbiografien vor, die im Zusammenwirken mit Überlebenden rekonstruiert wurden. „Dadurch ist unsere Trauer ein wenig kompensiert“, äußert Radetzky versöhnlich. Während der Vorbereitungen auf die neue Dauerausstellung sei diese Präsentation ein zusätzliches Angebot, über das sie sehr froh sei, sagt Reich. „Die hier dargestellten Schicksale zeigen, wie schnell der Mensch in die Mühlen geraten kann“, so die Historikerin. Auf die unterschiedlichen Biografien angeblicher Spione vom Ex-Wehrmachtsoffizier bis zum Kraftfahrer für die Russen angesprochen, sagt sie: „Wir können im Nachhinein nicht die Frage nach der Schuld oder Unschuld beantworten.“
Reich berichtet, dass die Arbeit an der neuen Dauerschau planmäßig verlaufe. Zwei Historiker seien gemeinsam mit einer Museologin mit der Aufarbeitung von zahlreichen Einzelschicksalen beschäftigt; das Berliner Architektenbüro Gerhard & Glück mit der Präsentation. Im Februar 2012 werde die Dauerausstellung öffnen. „Unser wichtigstes Schauobjekt ist das Haus selbst“, sagt Reich. Mit seinen finsteren Kerker-Kellern sei es ein Ort, den es in Deutschland in so originalem Erhaltungszustand nicht noch einmal gebe. Der authentische Charakter sei 2007/2008 konservatorisch gesichert worden. „Daran wird nichts geändert; sämtliche Einbauten müssen mit dem Denkmalschutz abgestimmt werden“, so Reich. In den unmenschlich wirkenden Kerkern waren nicht nur Deutsche, sondern auch Russen eingesperrt. Ihre Biografien finden sich in der Memorial-Dokumentation. Laut Reich handelt es sich um „Personen, die, in welcher Form auch immer, Widerstand geleistet haben“. Die neue Ausstellung werde bisher unbekannte Schicksale und zahlreiche neue Exponate zeigen. Günter Schenke
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: