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Am Tag eins nach ihrer Ankunft in Potsdam konnten Helfer einige Kinder schon ein wenig aufheitern, wie diesen Jungen mit Seifenblasen. Doch womöglich muss auch er schon bald wieder weiter.

© J. Bergmann

Jann Jakobs über die Flüchtlingssituation in Potsdam: „Das ist eine absolute Krisensituation“

Kurzfristig wurde eine Erstaufnahme-Zweigstelle in Potsdam eingerichtet, fast 350 Flüchtlinge sind dort bislang untergebracht. Oberbürgermeister Jann Jakobs spricht im PNN-Interview über die Auswirkungen der neuen Aufnahmeeinrichtung und wirbt für Verständnis.

Von Katharina Wiechers

Stand:

Durch die Einrichtung der neuen Erstaufnahme-Zweigstelle an der Heinrich-Mann-Allee müssen auf einmal mindestens 1000 Flüchtlinge mehr in Potsdam untergebracht werden. Bislang hieß es immer, die Flüchtlinge sollten so schnell wie möglich in Potsdam integriert werden – ist das bei dieser großen Zahl überhaupt möglich?

Für die, die länger oder sogar für immer in Potsdam bleiben, ist das natürlich nach wie vor das Ziel. Man muss aber unterscheiden zwischen der vom Land betriebenen Erstaufnahmeeinrichtung und den etwa 700 Flüchtlingen, die wir unabhängig davon in diesem Jahr noch unterbringen müssen. Für letztere gilt weiterhin der Grundsatz, dass sie möglichst dezentral und in eher kleinen Einrichtungen untergebracht werden sollen. Und wenn es geht, sollen sie auch möglichst schnell in Wohnungen vermittelt werden.

Eine Integration von Flüchtlingen macht also nur bei denen Sinn, die länger hier sind?

Diese Erstaufnahmeeinrichtung ist ja der Tatsache geschuldet, dass Eisenhüttenstadt und andere Erstaufnahmen momentan komplett überfüllt sind. Das Land ist dabei, eine größere, zweite Erstaufnahmeeinrichtung in Brandenburg zu etablieren. So lange es diese aber noch nicht gibt, werden wir hier in Potsdam die Erstaufnahme mitrealisieren müssen. Aber das ist eben nur befristet.

Was ist eigentlich mit den Kindern in der Erstaufnahme? Werden die nun auf die Potsdamer Schulen verteilt?

Es geht ja erstmal darum, sie zu registrieren und den Status zu klären. Das dauert eine gewisse Zeit und so lange besteht auch keine Schulpflicht. Aber man kann von den Leuten auch nicht erwarten, dass sie ein Vierteljahr hier sind und die ganze Zeit nur auf ihrem Klappbett sitzen und Däumchen drehen. Wir wollen, dass Kinder beschäftigt werden, dass Schulkinder schon mit der deutschen Sprache vertraut gemacht werden und dass es sportliche Aktivitäten gibt. Ansonsten fällt den Leuten die Decke auf den Kopf.

Das heißt, die Strukturen, die Potsdam für die Flüchtlinge schon geschaffen hat, können von den Menschen in der Heinrich-Mann-Allee mitgenutzt werden?

Nein, das müssen schon separate Strukturen sein, das muss man sorgfältig trennen. Das ist ganz klar Landesaufgabe. Aber wenn unsere Unterstützung gebraucht wird, werden wir natürlich Hilfe leisten.

Viele Potsdamer unterscheiden wahrscheinlich nicht groß, was nun in der Verantwortung der Stadt oder des Landes liegt, für sie steht fest: es kommen 1000 weitere Flüchtlinge nach Potsdam. Manche suchen vielleicht seit Monaten eine günstige Wohnung und fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Was sagen Sie denen?

Man muss sich immer vor Augen führen, dass das eine absolute Krisensituation ist. Und in dieser Krisensituation müssen wir zu unkonventionellen Mitteln greifen. Ich kann nur immer wieder um Verständnis werben. Aber wenn die Leute sehen, aus welchen Krisengebieten die Menschen kommen, ist das für die meisten auch nachvollziehbar. Natürlich wirkt sich das auf die gesamte Wohnungssituation aus und da müssen wir auch etwas tun. Dazu gehört unter anderem der soziale Wohnungsbau. Allein auf kommunaler oder Landesebene können wir das nicht lösen. Vor allem die Ballungszentren brauchen Unterstützung, damit der Wohnungsmarkt sich nicht weiter verschärft.

Haben Sie Angst, dass die Stimmung in Potsdam irgendwann kippt, dass es zu viel werden könnte?

Die Medien vermitteln ja eigentlich gut, wie groß die Krisensituation ist. Die meisten Menschen, die die Bilder aus den Krisengebieten sehen, haben Verständnis, denke ich. Aber man muss es eben auch immer wieder erläutern. Ich höre viele Menschen, die sich fragen, wohin das Ganze führt. Darüber muss man mit den Leuten reden. Die geäußerten Bedenken müssen ernst genommen werden. Dass auch die Rechten ihr Süppchen kochen wollen, ist aufgrund der momentanen Krisensituation klar. Aber ich glaube, wir müssen uns der Diskussion stellen. Wenn wir das nicht tun und bestimmte Sorgen und Nöte tabuisieren, dann treiben wir diese Menschen nur den Rechten in die Arme.

Die Fragen stellte Katharina Wiechers

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