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Landeshauptstadt: „Das ist Geschichte, die noch qualmt“
Hans-Hubertus Mack, Chef des Zentrums für Militärgeschichte, über neue Forschungsfragen
Stand:
Herr Mack, das Militärgeschichtliche Forschungsamt hat den Namen gewechselt und ist mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr aus Strausberg zusammengelegt worden. Ist genügend Platz für alle in der Villa Ingenheim?
Wir sind vorher gefragt worden, ob unsere Räumlichkeiten ausreichen und haben das überprüft – mit dem Ergebnis: Ja, sie reichen.
Wurden alle Mitarbeiter aus Strausberg übernommen?
Alle wissenschaftlichen Mitarbeiter sind ins neue Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften übernommen worden. Durch die Zusammenlegung haben wir zwölf Stellen zum Beispiel in der Hausverwaltung oder für Aufgaben wie das Lektorat eingespart.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie jetzt?
Rund 120, etwa die Hälfte davon Wissenschaftler. Wir haben Sozialwissenschaftler, Historiker, Medizinhistoriker, Theologen, Politikwissenschaftler, Staatswissenschaftler, Erziehungswissenschaftler – und einen Diplomingenieur. Der befasst sich mit dem Thema „Bau im Einsatz“. Mit den Museen der Bundeswehr sind es insgesamt sogar rund 400 Mitarbeiter: Das Militärhistorische Museum in Dresden und das Museum in Berlin-Gatow sind uns unterstellt.
Wieso leistet sich die Bundeswehr überhaupt eine eigene Forschungseinrichtung?
Wir haben eine doppelte Aufgabe: Forschung und Integration. Wir sind ein Institut, das die Situation der bewaffneten Macht in Deutschland einem breiten Interessenkreis deutet. Wenn aktuelle Fragen auftauchen, zum Beispiel zu Belastungen bei Soldaten, müssen wir schnell reagieren und können nicht auf Wissenschaftler etwa von Universitäten warten.
Was sind aktuelle Forschungsfragen?
Wir wenden uns derzeit verstärkt der Einsatzgeschichte der Bundeswehr nach 1990 zu. Und das auf mehreren Ebenen: Sozialwissenschaftlich, indem wir die Einsätze zum Beispiel mit Befragungen begleiten, dokumentarisch, indem wir dokumentieren, was gewesen ist. Denn bevor sie Geschichte schreiben, müssen sie zunächst einmal Quellen sichern. Die Archivare helfen natürlich dabei, aber wir schreiben auch Leute an und fragen sie nach Tagebüchern, Aufzeichnungen, Bildern oder Collagen.
Wieso ist das wichtig?
Wir müssen den Leuten in 20 Jahren sagen können, wer wann wofür verantworlich war. Nichts ist schlimmer als eine Armee, die ihre eigene Geschichte verschleppt: Eine Armee ohne Geschichtsschreibung ist wie die Vandalen – eine ungepflegte Veranstaltung. Für Historiker ist gerade die neueste Militärgeschichte spannend: Es handelt sich, wenn Sie so wollen, um Geschichte, die noch ein Stück weit qualmt, während sie geschrieben wird.
Gibt es schon erste Ergebnisse?
Seit dem Start dieses Bereiches gab es viele Veröffentlichungen. Demnächst soll ein Werk über die Loja Dschirga erscheinen – die Versammlung von Clan-Ältesten und Verantwortungsträgern in Afghanistan. Wenn man besser verstehen will, wie Demokratie in Afghanistan funktioniert, dann muss man sich mit der Loja Dschirga befassen.
Sie bieten auch an der Universität Potsdam einen zweijährigen Masterstudiengang „Military Studies“ – Militärstudien – an. Wie ist die Resonnanz bisher?
Der wird sehr gern angenommen. Mit den Themen Militär, Gewalt, Sicherheitspolitik, Militärsoziologie treffen wir einen ganz wesentlichen Nerv der Zeit. Das ist ein Bereich, in dem heute viele Entscheidungen verantwortungsvoll gefällt werden müssen.
Wie viele Absolventen gibt es schon?
Seit dem Start 2007 etwa 100. Viele Teilnehmer finden nachher gute Arbeitsmöglichkeiten in der Politik, in Stiftungen oder bei politikwissenschaftlichen Instituten.
Die Fragen stellte Jana Haase
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