Von Eva Kalwa: „Das ist verdammter Mist!“
Diese vier Wörter hat US-Regisseur Quentin Tarantino also bei den Drehs für „Inglourious Basterds“ gelernt. Gestern Abend war Filmpremiere in Berlin
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Berlin/Babelsberg – Quentin Tarantino fühlt sich hier schon wie Zuhause: „In den USA habe ich keine eigene Kneipe und keine eigene Straße“, meinte er gestern Abend lachend auf dem Premierenteppich für seinen neuen Film „Inglourious Basterds“ – und spielte damit auf die durchzechte Nacht in der Berliner Bar „Tarantino’s“ und das wegweisende Geschenk der Babelsberger Studiochefs an. Sie hatten ihm am Montag eine eigene Straße spendiert – angestoßen wurde mit Sekt. In Sektlaune präsentierte sich das Team der Babelsberg-Koproduktion auch zur Premiere im Theater am Potsdamer Platz. Dort feierten die Gäste am Roten Teppich den Kultregisseur und seine Hauptdarsteller Brad Pitt, Christoph Waltz und Diane Kruger ausgelassen.
Wenige Stunden vorher hatte sich Tarantino den Fragen der Journalisten im Hotel Adlon am Pariser Platz gestellt – und da war sie wieder, diese schier unerschöpfliche Energie: Tarantino redet unglaublich schnell und hebt oft den rechten Arm, um seine Worte in großen Gesten zu unterstreichen. Dabei wandern seine braunen Augen hin und her, doch wenn sein Gegenüber eine Frage stellt, blicken sie demjenigen ruhig und aufmerksam ins Gesicht.
So wie jetzt: Ob er, Tarantino, glaube, dass sein in Deutsch, Englisch und Französisch gedrehter Film „Inglourious Basterds“ die Geburtsstunde eines neuen internationalen Kinos sei? Einen Moment ist Stille, dann antwortet der 46-Jährige in der typischen Redeflut. Ein Satz, von einem breiten Lächeln begleitet, klingt lange nach: „Also, wenn Steven Spielberg jetzt ‚Schindlers Liste‘ drehen würde, müsste er das wohl auf Deutsch tun.“
Gelöst, gut gelaunt und überaus gesprächsbereit wirkte der Regisseur, als er mit seinen Hauptdarstellern Diane Kruger, Christoph Waltz und Daniel Brühl über den Film redet. Vielleicht, weil er, wie Tarantino selbst sagt, so gern in Berlin ist: Am Sonntagabend hatte er das Team bereits zu einer Sondervorstellung von „Inglourious Basterds“ ins Delphi an der Charlottenburger Kantstraße eingeladen, danach soll es noch eine Party mit viel Pizza im „Tarantino’s“ in der Brunnenstraße in Mitte gegeben haben. Besonders hat es Tarantino bei den Dreharbeiten zu seiner märchenhaften Nazi-Satire im Fort Hahneberg in Staaken gefallen: „Das war cool – dieser tiefe, wilde Graben im Wald dort. Es sah alles wirklich aus wie im Krieg.“ Doch auch in den Filmstudios in Babelsberg, wo große Teile des Films entstanden sind und seit Montag eine Straße nach ihm benannt ist, habe er sich sehr inspiriert gefühlt.
Stimmt es, dass er am Ende der Dreharbeiten unbemerkt von allen Schauspielern einfach von einer Sekunde auf die andere verschwunden ist? Wieder dieser ruhige, aufmerksame Blick: „Ja, das stimmt“, sagt Tarantino. „Ich bin sehr emotional in diesen Dingen und hatte Angst, in Tränen auszubrechen.“ Wer beobachtet hat, mit welcher Freude und Innigkeit der doch nicht zuletzt für seine exzessiven Gewaltszenen berühmte Regisseur seinen „Basterds“-Schauspieler Daniel Brühl auf dem Hotelflur umarmt („So gut, dich zu sehen, Mann!“), kann sich das tatsächlich gut vorstellen.
Auch Christoph Waltz, der im Film den charmant-skrupellosen „Juden-Jäger“ Oberst Landa spielt, lobt Tarantinos Feinfühligkeit: „Dieser Regisseur hat so feine, unglaublich sensible Antennen – er ‚liest‘ im Verhalten der Schauspieler.“ Dass Tarantino selbst die deutsche Sprache nicht gut verstehe, habe bei den Dreharbeiten überhaupt nichts ausgemacht. Immerhin, ein bisschen Deutsch hat Tarantino in den Monaten in Berlin gelernt: „Das ist verdammter Mist!“ brüllt er plötzlich halblaut. – Ein Satz, der für einen Regisseur sehr nützlich sein könnte, sagt er augenzwinkernd.
Doch so ungestüm scheint der wahre Tarantino nicht zu sein: Alle Schauspieler äußern sich begeistert über die Zusammenarbeit mit dem besessenen Cineasten. „Ich bin überzeugt, dass ich einen Freund fürs Leben gefunden habe“, sagt Diane Kruger. Auch Waltz, der für seine Rolle des Oberst Landa in Cannes den Darstellerpreis erhielt, ist spürbar tief beeindruckt von den gemeinsamen Dreharbeiten. Auf die Frage, wie denn eine Zeit nach Tarantino für ihn als Schauspieler aussehen könnte, antwortet Waltz: „Ich weiß es noch nicht: Aber diese Erfahrung wiederholen zu wollen – so stelle ich mir Sucht vor!“ Tarantinosüchtige Filmfans müssen jetzt noch bis zum 20. August warten: Dann startet „Inglourious Basterds“ in den deutschen Kinos. mit dpa
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