
© A. Klaer
Neue Geschäftsführerin des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West: Das kann was werden
Die Künstlerin Annette Paul ist die neue Geschäftsführerin des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West.
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Vor Kurzem sprach ein Medienvertreter mir ihr, ohne zu wissen, dass die Restauratorin und Bildhauerin hauptberuflich Künstlerin ist. Es sei ausschließlich um ihre neue Tätigkeit als Geschäftsführerin des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West gegangen. War gar nicht so schlimm, stellte Annette Paul dabei fest. Und lernte sich selbst irgendwie neu kennen. Kreativität und Verwaltungsjob nebeneinander – das geht also. „Auch wenn ich hin und wieder an einer Excel-Tabelle verzweifle. Ich sehe das als Herausforderung.“
Im Februar übernahm Annette Paul die Geschäftsführung von Daniel Zeller – nach einer Reihe von Übergangslösungen. Zeller hatte sich nach jahrelangem Engagement für Netzwerk und Künstlerhaus Scholle 51 bereits im Mai 2015 zurückgezogen. Und konzentriert sich jetzt als Projektleiter auf das neue Haus „Scholle 34“, das zum Nachbarschaftstreff und Begegnungshaus umgebaut werden soll. „Da braucht er nicht noch zusätzlich all den Kladderadatsch eines Geschäftsführers um die Ohren“, sagt Paul.
Sie selbst hält jetzt die kompletten Fäden in der Hand. Eingearbeitet hatte sie sich bereits in den Monaten zuvor, hatte beispielsweise die Rechnungsprüfung gemacht. Das war ein guter Einblick, sagt sie. Sie sei zwar auf ein kleines Durcheinander gestoßen, aber das sei doch normal bei ehrenamtlichen Strukturen. „Das ist alles machbar und schaffbar“, sagt sie.
Annette Paul will langen Atem mitbringen. Geduld, Gelassenheit und Zuversicht sind drei ihrer Gaben, die sie hier brauchen wird. Sie kennt das Netzwerk von Beginn an. Was sie fasziniert, ist das Selbstverständnis der Macher: ein holokratisches Miteinander. Nicht zu verwechseln mit Basisdemokratie, sagt sie. „Bei uns gibt es durchaus Zuständigkeiten, es werden von den einzelnen Gruppen Entscheidungen getroffen, die von allen akzeptiert werden. Mit dem Wissen, dass man auch neu entscheiden kann, wenn ein Weg mal nicht funktioniert. Es muss nichts gleich optimal sein, aber wir fangen eben an.“
So wie beim Nachbarschaftsgarten in der Scholle 34. Die ehemalige Gaststätte Schloss Charlottenhof ist nach jahrelangem Leerstand eine Ruine. „Wir verhandeln gerade mit der Schlösserstiftung, der Besitzerin, über einen Erbpachtvertrag“, sagt Paul. Dann könnte der Ausbau beginnen, zwei Millionen wird er geschätzt kosten. Die Zahl schreckt sie nicht. Wichtig ist, dass es losgeht. Deshalb soll jetzt das Außengelände genutzt werden, ein Nachbarschaftsgarten hier entstehen. Aus Sicherheitsgründen muss zuerst ein Zaun her, der die Bauruine die kommenden Jahre sichert. Weil aus den Fördergeldern der Stadt aber kein Zaun gekauft werden darf, ist er nur gemietet. Das Netzwerk sucht jetzt Zaunpaten, die für 50 Euro ein Zaunfeld kaufen. „Die Miete kostet in fünf Monaten nämlich mehr, als wenn man alles kaufen würde“, sagt die Geschäftsführerin.
Annette Paul wurde 1970 geboren, studierte Schauspiel, Gesang und Tanz, Restaurierung und Bildhauerei. Seit 2000 arbeitet sie freischaffend im Bereich Performance, Video und Kunstinstallation, gern mit Kindern, Jugendlichen und Künstlerkollegen. In Potsdam-West betreibt sie das Atelier Guelden. Von ihr stammt der Schriftzug am Landtagsgebäude: „Ceci n'est pas un château“ – Das ist kein Schloss. Sie hatte damit den zweiten Platz im Wettbewerb „Kunst am Bau“ gewonnen. Ende Mai beteiligt sie sich an einer Aktion mehrerer Künstler in der Innenstadt. Das Thema: „Ist das Stadt oder kann das weg?“ – in Kooperation mit der Initiative Potsdamer Mitte neu denken.
Im Stadtteilnetzwerk Potsdam-West geht es längst nicht nur um Kunst. Sondern auch um das Miteinander. „Wir wollen die zahlreichen und unterschiedlichsten Initiativen und Ideen der Nachbarschaft unterstützen und fördern“ sagt Paul. Bisher findet in Potsdam-West viel draußen statt oder in privaten Räumen, wie der neue Kochkurs „Suppe mit Tiefgang“, bei dem die Leute zu sich nach Hause zum gemeinsamen Kochen einladen. Draußen gibt es Feste, Ostermarkt und Nikolausmarkt, den lebendigen Adventskalender, Events auf dem Sportplatz Sandscholle, Musik auf der Platte. „Aber Senioren möchten meist nicht auf der Platte rumstehen“, sagt Paul. Im Begegnungshaus könnten Sprach- und Sportkurse stattfinden, Theatergruppen und Erzählcafé unterkommen. Deshalb ist das neue Haus so wichtig.
Insgesamt sieht sie die Situation des Stadtteilnetzwerks positiv. Auch wenn noch immer nicht klar ist, ob sie als Mieter in der Geschwister-Scholl-Straße 51 bleiben können, weil die Evangelische Kirche die Immobilie mittelfristig verkaufen will. Die Stadt fördert das Netzwerk mit vier Teilzeitstellen und einem FSJ-ler. Vor allem aber spürt Paul das Interesse der Nachbarn, die Lust, sich einzubringen. „Wenn man nicht gleich zu viel will, dann kann es was werden“, sagt sie.
Zaunaufstellen am heutigen Freitag ab 17 Uhr in der Geschwister-Scholl-Straße 34. Helfer und Zaunpaten willkommen.
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