Landeshauptstadt: Das Kinderreich
Vater, Mutter, drei Kinder: In Babelsberg keine Seltenheit. Es ist die gute Mischung aus dörflicher Geborgenheit und städtischer Infrastruktur, die Familien hier herzieht, meinen die Klamkes.
Stand:
„Die Stadt ist kinderreich“, sagt Volker Klamke. Und meint damit Babelsberg. Im Pass des 41-Jährigen steht als Geburtsort Potsdam-Babelsberg eingetragen. Seine Frau Birgit, die ein halbes Jahr alt war, als sie ihre Mutter von Salzwedel hierher mitnahm, redet auch so. Verkehrte Welt? Birgit Klamke lacht. „Ist doch ganz logisch“, sagt sie. „Wenn wir in die Stadt reinfahren, meinen wir Babelsberg. Ansonsten fahren wir nach Potsdam.“ Potsdam liegt ja schließlich auf der anderen Seite der Havel. Die Spandauer sagen ja auch, sie fahren nach Berlin, wenn sie ihren Kiez verlassen.
Babelsberg ist also kinderreich, hat Volker Klamke festgestellt. „Wo zwei Kinder sind, kommt schnell ein drittes und ein viertes“, das scheint anzustecken. Die Klamkes haben drei: Antonia, 16, Gunnar, 12 und Leona, 5. In der Küche steht ein langer Tisch, an dem alle Familienmitglieder und noch mehr Platz haben. Der sei auf Zuwachs gebaut, scherzt der Klempnermeister. Und bekommt von seiner Frau einen vielsagenden Blick zugeworfen.
Das sanierte und im warmen Orangeton getünchte Haus der fünf-köpfigen Familie steht in der Benzstraße und stammt aus dem Jahr 1870. Im Garten stehen kleine und große Fahrräder angelehnt an das Werkstattgemäuer. Eine Schaukel hängt am dicken Ast eines Baums. Idylle pur. Wenn nicht drei Mal täglich ein Güterzug mitten durch die Beschaulichkeit donnern würde. „Die sind immer so laut und lang“, sagt Gunnar und verzieht sein Gesicht. Mit der Bahn müssten alle Babelsberger leben, sagt sein Vater. Die Trasse, die Babelsberg in Nord und Süd teilt, habe aber auch ihre Vorteile, nämlich: die optimale Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. „Unsere ältere Tochter kommt so schnell mal nach Berlin – zum Shoppen und fürs Vergnügen“, sagt Birgit Klamke. Wenn sie da ist. Vor wenigen Wochen erst ist die 16-Jährige nach Washington/DC geflogen – sechs Monate Auslandserfahrung in den USA.
Gunnar mag Babelsberg, vor allem im Vergleich zu anderen Stadtteilen, in die er schultäglich muss. Der Zwölfjährige besucht nämlich die sportbetonte Gesamtschule in Potsdam-West. In Babelsberg gebe es längst nicht so viele Autos wie beispielsweise am Platz der Einheit, wo er jetzt nach dem Fahrplanwechsel immer umsteigen müsste, um die Straßenbahn Richtung Pirschheide zu bekommen. Außerdem wohnen die meisten seiner Freunde in der Nähe.
„In Babelsberg brauchen auch große Familien keinen Zweitwagen“, erklärt seine Mutter. Alles sei zu Fuß oder mit dem Fahrrad leicht erreichbar. Wie auf dem Lande. Als die beiden älteren Kinder noch kleiner waren, hätten sie mal mit dem Gedanken gespielt aufs Dorf zu ziehen, erzählt die 40-Jährige. Die Idee sei aber damals genau so schnell verworfen worden wie sie entstand. Für jede kleinste Erledigung hätte man fahren müssen, Bus- und Bahnverbindungen – Fehlanzeige. Das sei gerade für Kinder auch nicht schön, wenn sie nicht mal schnell irgend wohin kämen.
Gunnar trifft sich mit seinen Freunden im Kiez-Kino Thalia. Seine fünf Jahre alte Schwester freut sich über die vielen Spielplätze in der Umgebung, und dass sie jetzt schon alleine zum Bäcker an der Ecke Brötchen holen darf. Babelsberg sei einfach eine gute Mischung aus dörflicher Geborgenheit und städtischer Infrastruktur, sagt Birgit Klamke. Als Freundin kurzer Wege nutzt sie am liebsten die nahegelegenen Einkaufsmöglichkeiten. Allerdings stimme der Mix im „Stadtzentrum“ Karl-Liebknecht- und Rudolf-Breitscheid-Straße noch nicht ganz. Sie vermisse vor allem ein Schuhgeschäft. „Die halten sich hier einfach nicht“, erklärt ihr Mann. Zum Schuhkauf müsse man deshalb immer zum Stern-Center oder nach Potsdam rein fahren. Vor einigen Jahren noch hätte sie den Weg auch antreten müssen, wenn sie Kinderkleidung gebraucht habe. Inzwischen gebe es Läden mit Kindermode – neu und gebraucht – im Überfluss. Manche der Geschäftsideen hielten auch der starken Konkurrenz wegen nicht lange.
Mangel hingegen gebe es an Kita- und Hortplätzen, sagt Volker Klamke. Auch sie hätten anfänglich Leona in eine Einrichtung in die Steinstraße bringen müssen, bis dann ein Platz im Zwergenland in der Karl-Marx-Straße frei wurde. Wenn doch in der demographischen Entwicklung abzulesen sei, dass Babelsberg mehr und mehr zum Familienbezirk anwachse, müsse die Verwaltung frühzeitig agieren und entsprechende Kapazitäten schaffen, sagt er. Mit Sorge verfolge er auch das Aussterben von Angeboten für Jugendliche und nennt als Beispiel den erst vor kurzem geschlossenen Club 5 in der August-Bier-Straße. Wenn Teenager nicht – wie seine Kinder – durch Sport und Musikschule feste Freizeitaktivitäten hätten, bliebe ihnen in Babelsberg nicht viel. „Die Folgen sind bekannt“, sagt Vater Klamke. Es müssten deshalb mehr offene Angebote für Jugendliche gemacht werden, pflichtet ihm seine Frau bei. Hier seien Verwaltung und Politik gefragt, freie Träger zu entsprechenden Angeboten zu animieren. In wenigen Jahren, wenn die Vielzahl der Hortkinder zu Teenagern herangewachsen sei, werde der Bedarf groß. Man muss jetzt aktiv werden“, fordert Volker Klamke, selbst Mitglied in der Babelsberger SPD.
Mit ihrer Lebensart sind die Klamkes ein bisschen wie Familie Mustermann. Vater, Mutter, drei Kinder: In Babelsberg keine Seltenheit. „Familien ziehen Familien an“, sagt Volker Klamke. Allein schon der Kinder wegen und der Rest ergebe sich automatisch: gemeinsame Interessen, gleiche Probleme – ein Kiez.
- Jugend
- Kino
- Potsdam-West
- Potsdam: Babelsberg
- Schule und Kita in Potsdam
- Werder (Havel)
- Wohnen in Berlin
- Wohnen in Potsdam
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: