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Landeshauptstadt: Das Knistern der Krebse
Der HFF-Student Timo Klinge hat ein spezielles Mikrofon für Unterwasseraufnahmen entwickelt
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Für Timo Klinge hat sich vor drei Jahren in der Karibik eine unbekannte Welt eröffnet. Er selbst hat das Gerät, ein Unterwassermikrofon, dafür entwickelt. Aus einer Idee war das geworden, von dem alle Gründer träumen: ein Selbstläufer. Heute ist Klinge mit dem Marktführer für Tontechnik fusioniert und dort angestellt. Die Anstellung war der einzige Weg, um seine Innovation zu retten.
Wie hört der Mensch unter Wasser? Diese Frage begann sich Timo Klinge für seine Bachelorarbeit in Tontechnik zu stellen. Keine Literatur, keine Technik, kein Zugang – das war das erste Resultat seiner Nachforschungen. Ein Albtraum aber zugleich auch ein Segen es für ihn. „Also habe ich einfach behauptet, dass ich es im Rahmen meiner Bachelorarbeit schaffe, eine Technik dafür zu entwickeln“, erinnert sich Timo Klinge. Und damit war der Selbstläufer geboren.
„Mich rief sogar ein Professor von einer Militäruniversität an und wollte gemeinsam mit mir an Sonar Systemen forschen. Dabei hatte ich nur nach einem Buch gefragt“, erzählt er noch heute erstaunt. Das Buch bekam er und noch viel mehr Unterstützung. Vor allem technische Ausstattung, die er so gar nicht hätte finanzieren können.
Damals wohnte und arbeitete Klinge noch in München. Er studierte an der SAE München, der Privatschule für Audio und Ton, deren Mitglieder und Alumnis ihren Namen mit einem ehrfurchtsvollen Hauchen in der Stimme aussprechen. Er arbeitete dort auch als Dozent und freiberuflich als Tontechniker. Im Jahr 2008 kontaktierte er dann das IBF, das Existenzgründungen fördernde Institut an der Potsdamer Filmhochschule HFF. Dort war man begeistert. Kurz darauf pendelte er zwischen Potsdam und München, wurde Mitglied der HFF und hatte zwei Mitgründer an die Seite gestellt bekommen. Mit denen und einem exist-Stipendium für ein Jahr, sollte er den Markt erschließen. „Es gab ja praktisch keinen Markt und wir mussten ihn erst komplett erschließen, wenn nicht sogar erst erschaffen. Es war von Anfang an klar, dass das länger als die Förderung für ein Jahr brauchen würde.“ So sieht es der 28-Jährige aus er Lüneburger Heide heute. Deshalb hat er das Jahr in Potsdam und Berlin vor allem als stressig in Erinnerung. Seine Freiberuflichkeit und seine Arbeit an der SAE in München konnte er einfach nicht aufgeben. Dazu war das Projekt, trotz Stipendium, zu riskant.
Bis heute hat das Produkt in welcher Form auch immer, einen steilen Aufwärtstrend hingelegt. Und doch bleibt Timo Klinge auf dem Boden. Er weiß, dass nach marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten irgendwann bald die Kurve nach oben abgeschnitten wird. Er hat Grenzen kennengelernt, schon als Kind bei den Pfadfindern auf hunderte Kilometer langen Wanderungen. Oder in seiner Freiberuflichkeit. Oder als sie einsehen mussten, dass sie als das Dreier-Team nicht weiter machen konnten. Sie passten einfach nicht zu einander. Und als dann im verbliebenen Zweierteam auch noch sein Kompagnon krank wurde und langfristig ausfiel. Dieser Weg liegt hinter ihm und hat ihn mit seinem Projekt zum europäischen Marktführer gebracht. Die Firma Ambient hat ihn und sein Produkt aufgenommen. Jetzt ist er fest angestellt und hält nur noch Teile der Rechte an dem Hydrophon. Alleine hätte er nicht weiter wirtschaftlich arbeiten können.
Und trotzdem, Timo Klinge spricht nur von seinem Produkt, von dem Unterwassermikrofon, von Klang und Ton. Wenn er von den Klängen unter Wasser erzählt, nimmt er seine Zuhörer mit, dann will man es hören, das Flöten der Fische oder das Knistern der Krebse. Auf die Frage, ob er ein Workaholic ist, muss Klinge lachen. „Mit Sicherheit nicht“, ist seine bestimmte Antwort. Dennoch Freiberuflichkeit, Dozententätigkeit an der Hochschule in München und Unternehmensgründung klingen nach einem Menschen, der sehr viel Zeit in die Arbeit investiert. „Ich suche nicht meine Erfüllung in der Arbeit, sondern meine Arbeit erfüllt mich“, antwortet der Ton-Spezialist darauf.
Eigentlich sei es ein Studienprojekt gewesen, aus dem dann immer mehr wurde: „Bis ich dann die Chance vom IBF und der HFF bekam, meine außergewöhnlichen Ideen umzusetzen. Und jetzt sitze ich hier im Büro und verkabele das Ottergehege vom Zoo Zürich.“ Anja Reischke
Das Projekt im Internet:
www.sonar-surround.de
Anja Reischke
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