WENDLANDS Sicht: „Das mit den Abrissen, das hört jetzt auf!“
So! Schluss!
Stand:
So! Schluss! Aus! Ende! Nicht die Schulferien, nein, ich meine das Haus Dietz! Es ist ein Skandal, eine Kulturschande! Namentlich wird dafür niemand die Verantwortung übernehmen. Das Haus war einmalig, selbst jetzt noch als Ruine ist die Gediegenheit und die interessante Raumaufteilung zu sehen. Es war gemeinsam mit dem Haus Ulrich nebenan ein Ensemble der sogenannten Moderne mit einer einzigartigen Denkmalgeschichte. Doch, ich wiederhole es noch mal, weil es immer noch Menschen gibt, die es nicht verstehen: Errichtet in den 20er Jahren im Bauhausstil, Architekt war Heinrich Laurenz Dietz, der als einer der wichtigsten Architekten der Potsdamer Moderne gilt. Und das Haus stand seit 1977 unter Denkmalschutz. Es hielt jedoch nicht, der Untergrund war schlecht, Setzungsschäden in Folge des Zweiten Weltkrieges brachten das Haus in Gefahr. Doch damals gab es engagierte Denkmalpfleger und Verantwortliche, die es retteten – unter schwierigen Bedingungen. Es wurde abgetragen und mit finanzieller Unterstützung aus dem DDR-Denkmalpflegefond, den es im Gegensatz zu heute gab, wiederaufgebaut. Auch der Nachbau stand selbstverständlich unter Denkmalschutz, erst ab 1991 verschwand es aus der Potsdamer Denkmalliste ohne die rechtlich notwendige Bestätigung durch die Stadtverordneten. Nach der Wende wurde das Haus renoviert, ein Vordach kam hinzu, genehmigt von der Denkmalpflege! Nun erzählen uns eben diese Denkmalpfleger, es sei ja kein Haus mehr aus den 20er Jahren, Denkmalstatus habe es nicht. Und weil es ein DDR-Nachbau sei, werde es auch nicht unter Denkmalschutz gestellt. Abgesehen davon, dass juristisch das Gebäude eigentlich immer noch unter Denkmalschutz steht, ist das Haus mehr als bemerkenswert. Und wenn wir andererseits (richtigerweise) den Musikpavillon von Reinhold Mohr aus seinem völlig heruntergekommenen Zustand wieder hervorholen und als seltenen Vertreter der Potsdamer Moderne feiern, ist es völlig unverständlich, dass man ein grundsolides Haus, eine Turmvilla mit gestaltetem parkartigen Grundstück aus dem 20. Jahrhundert entfernt. Und komme mir jetzt ja niemand mit Demokratie. Die Stadtverordneten haben sich mehrheitlich für den Erhalt ausgesprochen, 1300 Unterschriften sind gesammelt, die gesamte Architektenschaft (1200 Mitglieder), der Gestaltungsrat, Mitteschön, Bürger und Politiker haben sich für das Haus eingesetzt. Doch am Ende half alles nichts. Ich habe die Abrisse in der DDR erlebt, gegen die frühen waren wir machtlos, sie wurden von ganz oben angeordnet, es waren Ruinen, wieder aufbaufähig. Doch wir haben trotzdem später dafür gekämpft, dass das Holländische Viertel und auch einzelne Häuser nicht abgerissen wurden. Das Holländische Viertel war in einem jämmerlichen Zustand, das Haus Dietz nicht. Doch wir hatten damals Erfolg. Heute wird man dafür gelobt, dass man sich in der DDR engagiert hat. Und heute? Die Speicherstadt ist beseitigt, das Bahnhofsviertel ist weg, Haus Dietz so gut wie. Was ist als nächstes dran? Ich erinnere mich gut, dass nach vielen Diskussionen und zwei gelungenen Experimentalbauten im Holländischen Viertel der Vorsitzende des Rates des Bezirkes Potsdam zum damaligen Stadtarchitekten sagte: „Das mit den Abrissen, das hört jetzt auf!“ Und heute?
Unser Autor lebt seit 1945 in Potsdam. Er studierte in Berlin und Dresden und ist seit 1968 als Architekt in Potsdam tätig.
Christian Wendland
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